HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD
: Warten auf Europa

Gentrification in Dubrovnik. Die Alteingesessenen werden aus der Innenstadt vertrieben

Die Getreidesilos in der Altstadt stammen aus dem 16. Jahrhundert. Die Stadtväter der reichen Adriametropole Dubrovnik haben die damals größten Getreidespeicher des östlichen Mittelmeers angelegt, um der Spekulation mit Nahrungsmitteln vorzubeugen. Der Stadtrat beschloss jährlich, was das Getreide in der jeweiligen Saison kosten sollte. Und die Maßgabe war: Keiner sollte hungern.

Ins 21. Jahrhundert hat es diese spekulationsfeindliche Tradition der Handelsmetropole leider nicht geschafft. „Eher im Gegenteil,“ sagt mein örtlicher Autovermieter. 1990, vor den Jugoslawienkriegen, hätten rund 5.000 der knapp 50.000 Einwohner der kroatischen Stadt innerhalb der historischen Stadtmauern gelebt.

Heute sollen es innerhalb der begehbaren Mauern von zwei Kilometer Länge noch 1.200 Einwohner sein. „Die Häuser mit ihren vielen im Krieg zerstörten Dächern haben Amerikaner und Russen gekauft,“ schimpft er. Über zwei Milliarden Dollar sollen sie in die Stadt gepumpt haben. Die Alteingesessenen wurden quasi rausspekuliert. Selbst im ehrwürdigen Dominikanerkloster mit seiner handgeschriebenen Bibel aus dem 11. Jahrhundert hat sich eine amerikanische Privatuniversität eingenistet.

Nicht nur die Altstadt ist schick und teuer saniert. Auch im Vorort Lapad haben die Eigentümer zum Beispiel im Grand Hotel und selbst im preiswerteren Hotel Zagreb eine Menge Geld investiert. An der Flaniermeile essen die Einheimischen Eis und trinken Kaffee zu deutschen Preisen. Wie die Kroaten mit ihren niedrigeren Gehältern in der Stadt über die Runden kommen, verstehe ich nicht. Sie sagen, sie hoffen auf Europa.

Europa gegen die Spekulation? Na ja. Die europäischen Touristen sind schon da. Die Hotels sind preiswert – und der Blick ist oft atemberaubend blau. Mit ihnen sind allerdings nur die Konzerne und nicht die Verbraucherschutzregeln gekommen. Als Touristen werden sie in Dubrovnik von den Konzernen aus der EU-Heimat abgezockt. Mein Mobiltelefon zum Beispiel teilt mir mit, dass ich für Anrufe nach Deutschland 1,47 Euro pro Minute bezahlen muss.

Vodafone nutzt schamlos die Tatsache aus, dass Kroatien noch nicht in der EU ist. In Österreich verlangt der gleiche Konzern nach ordentlich Druck von der EU-Kommission 75 Cent pro Anruf und 29 Cent pro Minute.

Die alte Erkenntnis der erfolgreichen Handelsmetropole Dubrovnik, dass man für erfolgreiches Wirtschaften vernünftige politische Vorgaben braucht, ist in der politischen Praxis noch nicht verwirklicht. Erst 2013 soll der EU-Beitritt Kroatiens über die Bühne gehen.

■  Der Autor ist Chefredakteur von „Finanztest“ Foto: Karsten Thielker