Elf neue Heldinnen

KOLUMBIEN Selbst beim Einkaufen wird mitgefiebert

VON CARMEN HERRERA MEJÍA
UND KATJA KESSING

„Kolumbien – das einzige Risiko ist, dass du hierbleiben willst.“ So eine Behauptung hätte wohl noch vor wenigen Jahren überwiegend Kopfschütteln hervorgerufen. Heute ist dieser selbstironische Satz der offizielle touristische Slogan des südamerikanischen Landes.

Den andauernden politischen Konflikt in Kolumbien leugnen zu wollen, wäre naiv, aber in den Ballungszentren hat sich die Gewalt tatsächlich reduziert. Die Kolumbianer sind bemüht, der Welt ein anderes Gesicht ihres Landes zu zeigen, das mit der zweithöchsten Artenvielfalt der Welt, über 3.000 Kilometern Küste, Gletschern, Kaffeezonen und tropischen Städten.

Die Welt und nicht zuletzt Deutschland erkennen diesen Wandel und bieten sich als strategische und politische Partner an. Die traditionell sehr guten deutsch-kolumbianischen Beziehungen sind derzeit in eine ihrer besten Phasen. Dafür sprechen hohe politische Besuche aus Deutschland, die kürzliche Wiederaufnahme der Flüge nach Kolumbien durch die Lufthansa, steigende Zahlen kolumbianischer Studenten in Deutschland, der Besuch des Goethe-Präsidenten Lehmann, die Zunahme deutscher Firmen in Kolumbien und der Besuch des Präsidenten Santos bei Bundespräsident Wulff.

Kolumbien und seine Bewohner werden im Ausland zunehmend sichtbar. Persönlichkeiten wie Shakira und Juanes, der Altmeister Gabriel García Márquez und jüngere Schriftsteller wie Juan Gabriel Vásquez, die Fußballlegende Carlos „el Pibe“ Valderrama sowie die 2009 für den Friedensnobelpreis nominierte Piedad Córdoba oder die Schauspielerin Sofía Vergara in Hollywood sind Botschafter eines neuen (Reise-) Ziels für die Welt.

Aber was ist mit dem über seine Grenzen hinaus bekannten südamerikanischen kolumbianischen Machismo geworden? Kolumbianische Frauen sind seit einiger Zeit in fast allen Bereichen präsent, und zwar ganz oben – in Wissenschaft, Technologie, Politik, Wirtschaft und Kunst, so ist die Leitung des Außenministeriums aktuell mit María Ángela Holguín besetzt. Es fehlte nur noch, auch auf dem Spielfeld von 90 mal 120 Meter Einzug zu halten und zu zeigen, dass die kolumbianischen Frauen, Las Cafeteritas, auch hier viel vorhaben.

22 junge Frauen haben in den letzten drei Jahren gezeigt, dass Fußball nicht nur von Männern gespielt wird und für Männer bestimmt ist. Die Kolumbianerinnen gewannen den südamerikanischen Titel der U17 in Chile und erreichten den vierten Platz bei der WM U20 in Deutschland 2010, Letzteres unter dem Mitfiebern von Scharen von Frauen und Männern vor Bildschirmen in öffentlichen Räumen, auf Märkten, in Einkaufszentren. Jetzt kommt die beste Auswahl der kolumbianischen Fußballfrauen zur Fußball-WM 2011. Nach 16 Jahren Abstinenz der Fußballnationalmannschaft der Männer bei einer WM hat Kolumbien elf neue Heldinnen auf dem Platz, und man darf einiges von ihnen erwarten.

Carmen Herrera Mejía, geboren 1971, ist Sozialwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 2008 Programmkoordinatorin am Goethe-Institut Kolumbien.

Katja Kessing, geboren 1973, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Romanistik. Seit Juli 2010 Leiterin des Goethe-Instituts Kolumbien