Nicht verpassen!
: Landfrauen

„Sieh zu, dass du Land gewinnst“, 20.40 Uhr, Arte

Ein Film so aktuell, dass er schon wieder überholt ist: Weil ihr Vater durch einen Herzinfarkt ausfällt, muss Nike plötzlich die Erdbeer-Ernte auf dem Familienhof im Niedersächsischen organisieren. Dass ihr Vater dazu illegale Erntehelfer aus Osteuropa engagiert hat, überrascht Nike zunächst. Dann bringt es sie in arge Nöte – denn die angehende Beamtin macht gerade Station im Ausländeramt.

Es ist ein blöder Zufall, dass just in diesem Jahr die osteuropäischen ErntehelferInnen Deutschland wegen des miesen Lohns und der schlechten Arbeitsbedingungen meiden. Zwar thematisieren Kerstin Alhrichs (Regie) und Petra Lüschow und Frank Weller (Drehbuch) ebendiese Umstände. Doch die Widersprüchlichkeit eines Landes, das sich gegen Einwanderung sträubt, während es auf BilligarbeiterInnen aus dem Osten angewiesen ist, fängt ihr Film auch nicht ein. Statt auf die politischen konzentriert sich der Film auf die menschlichen Dimensionen seiner Konflikte. Die aber entwickelt er mit einer Leichtigkeit, die bezaubert.

Komasaufen in der Dorfdisco, Blowjobs im Gebrauchtwagen: fast schlafwandlerisch bewegt sich Nike (Anna Maria Mühe) durch das Panorama eines Provinzlebens. Als ihr Vater zusammen bricht und ins Krankenhaus muss, kommt dies fast einem Erweckungserlebnis gleich. Denn an ihrer neuen Verantwortung für den Hof und die Erntehelfer wächst Nike. Zum ersten Mal ist sie bereit, den offenen Konflikt mit ihrem Vater und auch mit ihrer besten Freundin zu suchen. Suse (Susanne Bormann) beobachtet nämlich mit Misstrauen, wie sich Nike mit der Bosnierin Milena (Lea Mornar) anfreundet. Für die Illegale riskiert Nike fast den Hof – und ihren Job.

Wo sich die Geschichte oft vorhersehbar entwickelt, findet Alexandra Kordes’ Kamera ungewöhnliche Bilder. Sie blickt Anna Maria Mühe über die Schulter, wenn diese Geldscheine von ihrem Plastik-Portemonnaie in die Ledergeldbörse des Vater wandern lässt. Gleichzeitig wahrt sie Distanz, wenn sie sie bei der wachsenden Freude an der Hofarbeit beobachtet. Es ist die poetische Dichte der Bilder, die – unterstrichen von der melancholischen Musik von Eike Hosenfeld und Moritz Denis – über die Holprigkeiten des Drehbuchs hinwegträgt. Zusammen mit dem unaufgeregten Spiel der drei Hauptdarstellerinnen gewinnt der Film so eine Geschlossenheit, die man noch viel öfter im Fernsehen sehen möchte. HPI