„Völlig überflüssig“

Die Globalisierungskritiker schwanken nach dem erneuten Demoverbot zwischen Ärger, Zynismus und Pragmatismus

Martialisch sieht er aus: zwei Meter hoch, mit gerolltem Nato-Draht am oberen und Eisenstäben als Unterkriechschutz am unteren Ende. Sie empfinde „Verachtung, Wut und Unverständnis, dass wieder eine solche Grenze durch Deutschland läuft“, sagt Astrid Schaffert, die direkt am Zaun steht, über den so heftig gestritten wird. Die Attac-Aktivistin gehört zu den letzten ProtestlerInnen, die vorgelassen werden bis an die „komplexe technische Sperre“, wie die Polizei sagt. Künstler aus aller Welt haben Plakate geschickt, die Attac nun hier aufhängen darf.

Die Aktion ist nur deshalb noch erlaubt, weil sie lange vorher angemeldet war. Dass ab sofort ein Demonstrationsverbot in mehren Kilometern Abstand vom Zaun herrscht, kommentieren die Aktivisten mit Zynismus. „Wo sie jetzt schon so einen schönen, teuren Zaun gebaut haben, wollen sie aufpassen, dass ihm niemand zu nahe kommt“, sagt Schaffert.

Am Rostocker Stadthafen, wo die gemäßigten Gipfelgegner ihr Hauptquartier aufgebaut haben und die Großdemo stattfinden wird, hält sich die Aufregung über das Verbot in Grenzen. Polizeiboote patrouillieren auf der Warnow, Budenbesitzer freuen sich auf das Geschäft. Vielleicht ist es wirklich friedlich, vielleicht nur die Ruhe vor dem Sturm: Die Protest-Organisatoren stehen zwischen Bauwagen und einem Zirkuszelt. Einer scherzt mit einem Beamten der Polizeisondereinheit Kavala. Der lacht.

Trotzdem: „Die Sorge mit der Bannmeile hätten wir uns gerne geschenkt“, sagt Christoph Kleine von „Block G 8“. „Das ist völlig überflüssig.“ Dass das Gericht das von der Polizei geforderte Demoverbot rund um Heiligendamm bestätigt hat, ärgert ihn. „Wir wollen Druck aus dem Kessel nehmen, aber die Polizei will das anscheinend nicht“, sagt er. Für sich selbst sieht er keine Auswirkungen. Er will den Gipfel mit Straßenblockaden stören – dafür gibt’s eh keine Genehmigung.

Die Greenpeace-Leute auf der „Beluga“, die während der Proteste im Stadthafen ankert, ärgern sich mehr über Bushs Klimaplan. Campaigner Karsten Smid schüttelt den Kopf: „Wenn er das Klima schützen will, kann er doch das Kioto-Protokoll unterzeichnen.“ In den nächsten Tagen will er Protestler und Journalisten über die Klimagespräche auf dem Laufenden halten – damit die Blockaden und Demozahlen nicht das einzige Thema sind. Dafür haben sie sich bei Greenpeace sogar Satellitentelefone angeschafft. Falls das Handynetz ausfällt.

Ins Rostocker Camp ist das Urteil noch gar nicht vorgedrungen. Die 1.000 Menschen, die schon da sind, sind damit beschäftigt, sich einzurichten. Selbst im „Aktionsinfo“-Zelt am Campeingang wissen sie noch nichts. „Solche Camps sind abgeschlossene Welten“, sagt einer, der Straßenkarten verteilt. In den Bezirken der Zeltstadt kennen nur die Künstler der Hedonistischen Internationale die neue Lage. Aber sie wollen nicht zum Zaun: „An den 12 Kilometern verläuft sich doch alles“, heißt es. Auf der Demo in Rostock könne man mehr Aufmerksamkeit bekommen. M. KREUTZFELDT D. SCHULZ, N. FICHTNER