BERLINER SZENEN
: Bus voll, Sprüche satt

Bestimmte Fahrgäste sollten mal ihre „Ärsche“ bewegen

Busfahrer, die übers Mikro Sprüche klopfen: Das gehört zum Berliner Folklore-Fundus wie ruppige Bäckerei-Verkäuferinnen oder schnippische Pförtner. In Zeitungskolumnen zum Beispiel liest man immer wieder mal solche Geschichten.

Ich hab jetzt selbst so eine Busfahrer-Geschichte erlebt. Die S-Bahn streikte, der Bus hatte Verspätung und war deshalb proppenvoll. Es wollten immer mehr Fahrgäste rein, keiner wollte draußen auf den nächsten Bus warten, die Türen gingen nicht zu. Da begann der Fahrer, von zehn herunterzuzählen. Wenn bis „eins“ die Tür nicht frei sei, müssten alle aussteigen und er werde nicht weiterfahren, sagte er. Der Bus sei eh schon überladen. Als er bei drei ankam, sagte er so was wie „zweieinhalb“.

So ging das während der ganzen Fahrt. Natürlich hat er auch berlinert. Und wenn ich mich richtig erinnere, benutzte er sogar einmal das Wort „Arsch“, bestimmte Fahrgäste sollten ihre „Ärsche“ irgendwohin bewegen. Als er nach einem dieser In-der-Tür-Steh-Sprüche wieder anfuhr, begannen einige Leute zu klatschen, worauf er sagte: „Wir sind noch nicht gelandet.“ Und das „Herz“ aus dem Herz-mit-Schnauze-Ding zeigte er, als eine Frau angelaufen kam und mit den Händen flehend signalisierte, ob sie noch dazusteigen könne, obwohl der Bus schon angefahren war. Der Fahrer hielt und machte für sie die Türe nochmal auf.

Irgendwann bat er für seine Sprüche um Entschuldigung und erklärte: Er fahre schon seit mehreren Stunden ohne Pause durch wegen des S-Bahn-Streiks, alles für die Fahrgäste.

Das Fazit dieser Geschichten ist meistens: Der ehrliche Arbeiter von der Berliner Straße stellt bloß, ist dabei entwaffnend weise und im Kern gutmütig. Ich vermute, Menschen brauchen solche Archetypen, weil sie die Sicht aufs Leben vereinfachen. Aber auch eine Fahrt im überfüllten BVG-Bus. GIUSEPPE PITRONACI