Sound des Protests

Beim Abschlusskonzert in Rostock tanzen die Demonstranten die Polizei vom Kundgebungsplatz

„Bitte lernt diesen Text auswendig!“, ruft „Wir Sind Helden“-Sängerin Judith Holofernes der Menge zu. „Ihr werdet ihn in den nächsten Tagen gut brauchen können.“ Das Publikum jubelt. Gemeint ist das Lied „Wir sind gekommen, um zu bleiben“ – mit etwas Fantasie eine direkte Aufforderung zu den Sitzblockaden, die für diese Woche noch geplant sind. Die Berliner Popband rettet Samstagnacht als Hauptact beim „Move Against G8“-Festival im Rostocker Hafen die Stimmung.

Zu Beginn der Abschlusskundgebung am Nachmittag hatten es die Bands und Redner auf der Bühne sichtlich schwerer gehabt. Immer wieder muss das Programm unterbrochen werden, weil Polizeieinheiten auf der Suche nach Autonomen auf das Gelände stürmen. Wasserwerfer schießen mit Tränengas versetzte Salven in die Menge. „Warum macht ihr das? Wir wollen hier friedlich das Konzert anhören“, sagt eine junge Frau.

Erst um 18 Uhr, als die deutsch-französische Dancehall-Gruppe Irie Révoltés die Bühne betritt, beruhigt sich die Lage langsam. Die Heidelberger bringen das Publikum mit ihrer Mischung aus Ska und Hiphop vor der Kulisse von sieben gewaltigen Wasserwerfern zum Tanzen. Selbst die Demonstranten, die sich den Polizisten am Rande des Geländes in den Weg gestellt haben, wippen mit. „Das Publikum tanzt die Polizei vom Platz“, war schon wenige Minuten später im Indymedia-Newsticker zu lesen.

Dann übernimmt einer, der sich mit Protest ebenfalls gut auskennt: Tom Morello, Gitarrist der jetz aufgelösten Crossover-Kultband Rage Against The Machine. Mit ihrem unnachahmlichen Sound und den Texten gegen Krieg und Polizeigewalt hat er in den 90er-Jahren mit seinen Bandkollegen einer ganzen Generation von politisch aktiven Jugendlichen den Soundtrack zum Protest geliefert. Heute ist Morello erfolgreich als Solokünstler mit Akustikgitarre unterwegs. „Ich fühle mich geehrt, hier als einziger amerikanischer Künstler auftreten zu dürfen“, bedankt sich der New Yorker bei den Gipfelgegnern. „Ich möchte euch versichern, dass es sehr viele Menschen in den USA gibt, die mit der Politik von Bush ebenso wenig einverstanden sind wie ihr.“ JOHANNES RADKE