KOMMENTAR I: NPD-DEMOS

Karlsruhe hat nicht die Arbeit verweigert

Wenn sich eine Institution in Deutschland um das Demonstrationsrecht von Radikalen verdient gemacht hat, dann ist es das Bundesverfassungsgericht. Es ist deshalb eine blöde Frechheit, wenn NPD-Generalsekretär Peter Marx den Richtern nun „Arbeitsverweigerung“ vorwirft.

Es ist für alle Beteiligten ärgerlich, wenn ein Demonstrationsverbot so kurzfristig ausgesprochen wird, dass den Karlsruher Richtern nicht mehr genügend Zeit für eine verantwortliche Entscheidung bleibt. Aber dafür können sie am wenigsten. Erst in der Nacht zum Samstag beschloss das Oberverwaltungsgericht Greifswald ein stadtweites Verbot der Schweriner NPD-Kundgebung (und auch der Gegendemo des Antifa-Bündnisses), morgens um zehn sollte die Demonstration beginnen. In so knapper Frist hätte es nur ein offensichtlich verfassungswidriges Verbot aufheben können.

So etwas lag hier aber nicht vor. Es wurde ja nicht der Inhalt der rechten Anti-G-8-Demonstration gerügt. Vielmehr sah sich die Polizei personell nicht in der Lage, Rechtsradikale und linke Gegendemonstranten zu trennen. Angesichts der anderen Brennpunkte ist das zumindest nicht abwegig.

Möglicherweise kann man nicht einmal den Behörden vor Ort vorwerfen, dass sie das Demo-Verbot viel zu spät erlassen haben. Da es ja nicht um den Inhalt der Parolen ging, war eine Entscheidung eben nicht schon vor vier Wochen möglich. Gefahrprognosen müssen sich nun mal auf die Zukunft beziehen und dürfen sich nicht aus Vorkommnissen in der Vergangenheit ableiten. Das ist betont grundrechtsfreundlich, kann aber dazu führen, dass sich eine Gefahrenprognose erst sehr kurzfristig ergibt. Zumal es hier um die Einschätzung verschiedener Ereignisse (in Rostock, Heiligendamm und Schwerin) ging. Deutschland wird sicher nicht zur Bananenrepublik, nur weil das Bundesverfassungsgericht einmal passen musste. Zur Regel darf das natürlich aber nicht werden. CHRISTIAN RATH