Leider nur jugendfrei

„Sex und die Stadt“ lautet der verheißungsvolle Titel einer Ausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum. Aber die Stadthistorie hat kaum politische Fußnoten und nur wenig Frivoles zu bieten

VON KATJA BEHRENS

Wie haben sich die sexuellen Begegnungen der Menschen in Architektur und Stadthistorie vollzogen? Welche Kontinuitäten und welche Brüche hinsichtlich der Geschlechterrollen werden im Stadtbild sichtbar und was hat eigentlich Jan Wellem an Anna Maria Louisa Medici geschrieben? Diesen wichtigen Fragen kann nun in einer stadthistorischen Ausstellung in Düsseldorf nachgegangen werden, deren schönste Momente wohl die Bilder der legendären Orte der eigenen einheimischen Biographie sind: Die Kneipen, Tanzlokale und dunklen Straßenecken, deren schmuddeliger Charme eng mit ihrem verruchten Image verbandelt war. Dafür wurde die staubige Präsentation der historischen Artefakte im Stadtmuseum mit neueren Fotos und Videoarbeiten zaghaft aufgepeppt. Der Ausstellungs-Titel „Sex und die Stadt“ aber verspricht mehr als diese hält.

Ein Blick in die Vitrinen und an die Wände der Ausstellungsräume zeigt Archivalien bekannter und vergessener Orte der Begegnung, Plätze im urbanen Raum, an denen Männer und Frauen oder Männer und Männer und Frauen und Frauen sich begegnen konnten und können. Private Briefe und behördliche Dokumente liegen aus, notfalls in Übersetzung. Höfische Hochzeitspolitik und profane Amtsentscheide, Bilder eines sexualisierten urbanen Alltags neben Zeugnissen der immer noch gültigen Machtstrukturen und Mechanismen sozialer Kontrolle. Gemalte und fotografierte Bilder präsentieren das bunte Treiben in den verrauchten Kneipen, zeigen die schönen Frauen beim Schaufensterbummel auf der Kö, die Jecken beim Straßenkarneval in der Altstadt und die Familien beim Flanieren im Hofgarten. Die Unterteilung in Stadtviertel und ihre verschiedenen Funktionen wie Amüsieren, Konsumieren, Inszenieren und Produzieren ist ein roter Faden in der Ausstellungstopographie.

Auf dem großen rosafarbenen Bett im zentralen Raum können Besucher sich niederlassen und den neurotischen Hühnern der amerikanischen Soap „Sex and the City“ beim Shoppen und ihrem bis zur Ermüdung problematisierten Sex zuschauen. Warum allerdings die Tatsache illustriert werden muß, dass ein bürgerliches Ehepaar früherer Zeiten in seinem Schlafzimmer ein Ehebett stehen hatte, muß eine offene Frage bleiben.

Gut die Hälfte der annähernd 350 Exponate der Ausstellung „Sex und die Stadt“ im stadthistorischen Museum stammt aus dem eigenen Besitz. Der Rest sind Leihgaben anderer Düsseldorfer Institute und Archive. Das von einem fünfköpfigen Kuratorenteam um Museumsdirektorin Susanne Anna ersonnene Konzept der Ausstellung zur Geschichte der Geschlechterbegegnungen in Düsseldorf hat zwar ein theoretisch überzeugendes Fundament, wirklich Neues und Unvorhersehbares aber ist in der Schau nicht zu erfahren. Vielleicht wird dies die Ende Juni stattfindende Vortragsreihe zum Thema nachholen.

Es gab und gibt immer noch traditionell männliche und weibliche Orte in der Landeshauptstadt und traditionell männliche und weibliche Verhaltensmuster und Beschäftigungen. Wenn man sich in diesen Kontexten trifft, dann funkt es oder nicht und dann wird auch aus dem Sex nichts. Die Frauen haben ihre angestammten Orte wie Marktplatz, Shoppingmeile oder Bordell so gut wie nicht verlassen, und auch die Männer haben lediglich ihr Kostüm gewechselt. Die schmucken Uniformen der Soldaten oder die schweißnassen Hemden der Hafenarbeiter sind den gebügelten Uniformen der Banker oder den legeren Markenjeans der Werber gewichen, die zur Happy Hour in die eleganten Lounges einfallen. Vermutlich sind sie alle eigentlich bloß auf der Suche nach Sex. Doch die Schau jedenfalls ist, wie die Direktorin versichert, „garantiert jugendfrei“. Schade.

Bis 02. September 2007 Infos: 0211-89 96172