Charles Taylor boykottiert seinen Prozess

Der Anwalt des liberianischen Expräsidenten verlässt ebenfalls den Saal des Sierra-Leone-Tribunals in Den Haag

DEN HAAG rtr/afp/taz ■ Der historische Prozess gegen Liberias früheren Präsidenten Charles Taylor vor dem UN-Sondertribunal für Sierra Leone in Den Haag ist gleich am ersten Tag in Chaos versunken. Nachdem der Angeklagte sich weigerte, zu erscheinen, und eine entsprechende Erklärung von seinem Anwalt verlesen ließ, ging auch dieser aus dem Saal hinaus, um gegen die Verlesung der Anklageschrift zu protestieren.

„Sie können nicht einfach aufstehen und gehen“, schimpfte die Vorsitzende Richterin Julia Sebatinde mit dem Verteidiger Karim Khan, während dieser genau dies tat. Zu Verhandlungsbeginn hatte Khan einen Brief des wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten Taylor verlesen, in dem dieser seinen Boykott des Prozesses ankündigte, weil ihn „kein faires Verfahren“ erwarte. „Ich beteilige mich nicht an dieser Komödie, die dem Volk Liberias und dem Volk Sierra Leones nicht gerecht wird“, heißt es weiter.

Chefankläger Stephen Rapp verlangte, die Anklageschrift trotzdem verlesen zu dürfen. Als Khan darauf erwidern wollte, entzog Richterin Sebatinde ihm das Wort, worauf er wütend den Saal verließ und sagte, er könne Taylor nicht mehr vertreten. „Ich habe keine andere Wahl“, so der nunmehr ehemalige Verteidiger. „Der Angeklagte sagt, dass er durch ungerechte Behandlung behindert wird. Unter diesen Umständen hat er sein Recht ausgeübt, mein Mandat zu beenden, und entschieden, sich selbst zu verteidigen.“ Das Gericht berief daraufhin einen neuen Pflichtverteidiger, Charles Jalloh.

Erst dann konnte Ankläger Rapp sein Klageplädoyer halten. Er umriss die Geschichte des Bürgerkrieges in Sierra Leone in den 90er Jahren und die Rolle Taylors, dem er vorwarf, die sierra-leonischen Rebellen unterstützt zu haben, die Zivilisten töteten und verstümmelten, Frauen versklavten und Kinder zwangsrekrutierten. Er habe es versäumt, seine Macht einzusetzen, um diese Verbrechen zu verhindern, so der Chefankläger.

Taylor hat sich bereits bei der ersten Anhörung 2006 für nicht schuldig erklärt. Seine Verteidigung hat in der Vergangenheit ausgeführt, er habe für die Verbrechen der sierra-leonischen Rebellen keine Befehle erteilt und ihnen auch keine Waffen dafür geliefert. Sein Entschluss, sich selbst zu verteidigen, folgt dem Vorbild des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, der auf diese Weise den Prozess so lange hinauszog, dass er vor seinem Abschluss starb. Taylors Verfahren in den Räumen des Internationalen Strafgerichtshofs soll nach den Planungen des Gerichts eineinhalb Jahre dauern; bei einer Verurteilung soll er seine Strafe in Großbritannien absitzen. D.J.