Wenn die Sachsen-Mafia zurückschlägt

In einer Sondersitzung des Sächsischen Landtags bekräftigt die Regierung ihren Willen, die Korruptionsaffäre aufzuklären. Allerdings orakelt der Innenminister über mögliche Vergeltungsaktionen und Rufmordkampagnen des „perfiden Netzwerks“

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) wollte eigentlich seinen Aufklärungswillen gegenüber mafiösen Strukturen bekräftigen. Doch dann schürte er unbeabsichtigt das Feuer – und erweckte den Eindruck, als sei der Freistaat schon fest in der Hand von Gangstern. „Das perfide Netzwerk wird voraussichtlich zurückschlagen, weil wir es zerstören wollen“, orakelte der Minister in der Sondersitzung des Landtages zur Korruptions- und Justizaffäre. Er erwarte Rufmordkampagnen und Drohungen gegen Ermittler, warnte Buttolo.

Auf den ersten Blick debattierte der Landtag gestern in Dresden über ein Phantom, das trotz Presseberichten und ersten Enthüllungen des Frankfurter Publizisten Jürgen Roth im Internet bisher nur vage Konturen hat. Denn die vom Verfassungsschutz angelegten Akten über einen Filz von Immobilienschiebern, Zuhältern, Kriminellen, Politikern, Richtern und Staatsanwälten dürften eigentlich nur die Parlamentarische Kontrollkommission, der Innenminister und der Datenschutzbeauftragte kennen. Erst kurz vor Pfingsten waren die ersten Fälle der Staatsanwaltschaft übergeben worden.

Auf die Position des Unwissenden zog sich auch Justizminister Geert Mackenroth zurück. „Professionelles Arbeiten“ der Ermittler habe Vorrang vor überstürzten Suspendierungen korruptionsverdächtiger Justizbeamter, sagte der CDU-Politiker. Er bat um Geduld und um „Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unseres rechtsstaatlichen, gewaltengeteilten Systems“.

Genau daran aber zweifelt nicht nur die PDS, die die Sondersitzung des Landtages beantragt hatte. Der grüne Innenpolitiker Johannes Lichdi, Jürgen Martens von der FDP und die PDS-Redner André Hahn und Klaus Bartl kamen sich in der zentralen Frage nach der Verantwortung für die bislang verschleppte Aufklärung auffallend nahe. Sie betrifft zum einen das Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Es hat über das brisante Material jahrelang weder die Parlamentarische Kontrollkommission noch die Staatsanwaltschaft informiert. Auch die CDU- und SPD-Mitglieder der Kommission hatten deshalb personelle Konsequenzen an der Spitze des Landesamtes gefordert. Die Linkspartei folgert daraus, der Verfassungsschutz behindere eher die Verfolgung der organisierten Kriminalität (OK), die das Amt bis zum Jahr 2005 vorübergehend beobachten durfte.

Innenminister Buttolo geriet angesichts dieser Vorwürfe ins Schlingern und versuchte, den Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig (SPD) für die Nichtherausgabe der Akten verantwortlich zu machen. Dessen im Juni 2006 erstmals geäußerte Kritik an der Rechtmäßigkeit der fortgesetzten Datensammlung habe auch deren Weiterleitung rechtlich zweifelhaft erscheinen lassen. Die Landtagssitzung drehte sich jedoch nicht nur um die geheimen Akten des Verfassungsschutzes. Letztlich debattierten die Abgeordneten auch über durchaus bekannte Fälle der Strafvereitelung im Amt. Vor allem PDS-Rechtspolitiker Klaus Bartl prangerte an, dass die Dienstaufsicht versagt oder aber in der Kaltstellung eifriger Ermittler nur zu gut funktioniert habe. Der Grünen-Abgeordnete Lichdi lenkte die Aufmerksamkeit auf die Frage, wem die offenbar gezielt an die Medien gestreuten Gerüchte und Indiskretionen politisch schaden sollten. Er erinnerte an die Unschuldsvermutung, die zunächst auch für alle Verdächtigen zu gelten habe. Ob ein Untersuchungsausschuss zu der Affäre eingerichtet wird, blieb gestern offen. Oppositionspolitiker machten dies von der Arbeit der Staatsanwaltschaft abhängig.