Handschellenschoner aus Nerz

Aus dem Tagebuch der Paris Hilton – live aus dem Gefängnis Lynwood, Kalifornien

Lynwood 8. Juni 07 – Liebes Tagebuch. Meine lieben Freunde, Lakaien, liebe LiebhaberInnen, Mami und Papi! Adieu, du schöne Welt. Es ist tatsächlich wahr geworden. Ich, Paris Hilton, schmachte im Verlies! Unter TrinkerInnen, BetrügerInnen, Huren, MörderInnen und TotschlägerInnen! Ich, Paris Hilton, muss mich unter einer mäßig tröpfelnden Düse „duschen“ und um 7 (in Worten sieben) Uhr dreißig ein „Frühstück“ einnehmen. Und das nur wegen der paar – seien wir doch mal ehrlich – Lapalien! Ohne Zweifel ein handfester Justizirrtum, der die Regierung der Vereinigten Staaten noch teuer zu stehen kommen wird. Wir werden Klage einreichen an allen erreichbaren Gerichten. Ich werde große Auftritte haben, werde zusammenbrechen, mir die Kleider vom Leibe reißen und meine Wundmale zeigen! Aber bis dahin ist noch ein ganz langer Weg.

In der Zwischenzeit habe ich, zusammen mit Mami und Papi, haben wir gemeinsam beschlossen, dass wir die Welt beschämen wollen. Sie werden die wahre Paris Hilton erleben! Sie werden den Menschen hinter der Glamourmaske kennenlernen: einerseits schön und fast oberflächlich wirkend. Andererseits tief empfindsam, zerbrechlich, aber auch aufrecht und unbeugsam. Ich werde meinen Stolz bewahren. Ich werde der Welt zeigen, dass ich mehr bin als ein Partyluder. Ich hätte ins Bezahlgefängnis gehen können, aber ich wollte der Welt beweisen, dass ich mehr kann, als Pornofilmchen zu drehen, wöchentlich den Liebhaber und täglich dreimal die Garderobe zu wechseln! Ich werde die Zeit im Kerker nutzen. Ich werde beten und Koloraturen üben. Ihr wisst ja, mein Hit „Stars are blind“ kommt nicht so recht in die Gänge. Ich werde eine Tournee planen. Vielleicht mache ich eine Tournee durch alle Gefängnisse der Welt. Wegen Solidarität und so. Überhaupt werde ich mal richtig über die Welt nachdenken. Was ich für sie tun kann. Wegen Doping und Umwelt und wegen der entführten Madeleine. Auch über mich werde ich nachdenken. Denn auch ich – das bekenne ich hier und jetzt – habe den einen oder anderen Fehler gemacht. Doch ehrlich. Ich habe auch schon angefangen mit dem Nachdenken, aber bisher ist mir noch nicht viel eingefallen. Papi meint, das käme schon noch, ich hätte ja noch zwei Wochen Zeit.

Außerdem werde ich der Welt beweisen, dass ich auch in Ketten eine gute Figur mache! Obwohl ich, als mir meine Stylistin ein letztes Mal durch das Rückfenster des Bentley mit einem Gläschen eisgekühltem Champagner zuprostete, eine schlimme Ahnung hatte: finish with funny? Und für einen Moment drängte sich mir die bange Frage auf: Wäre ich nicht doch lieber ins Bezahlgefängnis gegangen? Denn ich wusste sehr wohl, dass es hart werden würde. Man hat schließlich Filme gesehen. Triste Zellen, harte Pritschen, bösartige Schließer. Schlägereien, Vergewaltigung, Blechgeschirr, Bohnen mit Maden. Dies alles habe ich erwartet. Und doch hat mich dann die Brutalität der echten Wirklichkeit zutiefst schockiert! Dass menschliche Wesen derart gnadenlos miteinander umgehen können, hätte ich mir nicht träumen lassen. Ihr wisst ja, ich habe mir diese absolut süßen Handschellenschoner aus Nerz machen lassen. Dazu wollte ich das schwarzweiß gestreifte Ensemble aus echtem Pygmäenhaar tragen! Die Paparazzi würden ausflippen! Aber: Diese Tiere in Lynwood haben mir, kaum dass sich die stählernen Pforten dieses unseligen Ortes hinter mir geschlossen hatten, alles abgenommen! Und mich in einen langweiligen, orangenen Overall gesteckt.

Damit nicht genug, teilte man mir in zynischem Ton mit, dass ich nur einmal am Tag duschen und nur einmal die Woche den Friseur aufsuchen dürfe, außerdem muss ich – hier versagt mir fast der Griffel – blau-weiß gestreifte Gummisandalen tragen. Ein Schuhwerk, das ich nicht einmal meiner schlimmsten Feindin wünschen würde. Sie nennen sie Adiletten! Gottseidank darf ich am Wochenende Besuch empfangen. Kommt bitte alle! Mami und Papi und Brad und Angi und Michael und Liz und Britney und Leonardo, Paul, Mick und George und Papst Paul. Jetzt brauche ich meine wirklichen Freunde! Denn sonst weiß ich beim besten Willen nicht, wie ich drei Wochen durchstehen soll! Ich bin Paris Hilton – holt mich hier raus! Heimlich gelesen von ALBERT HEFELE