Minister stellen sich vor Stromkonzerne

Die EU-Kommission bekommt keine Mehrheit für die von ihr angestrebte Loslösung der Netze aus den Unternehmen

BRÜSSEL taz ■ Energiekommissar Andris Piebalgs ist mit leeren Händen aus Luxemburg zurückgekommen. Er hatte sich von den dort versammelten Energieministern ein Mandat für die geplante Richtlinie zur Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes holen wollen. Doch daraus wurde zunächst nichts.

Die Kommission plant, den Netzbetrieb von der Energieerzeugung zu trennen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in beiden Bereichen zu stärken. Damit verfolgt sie zwei Ziele: Zum einen sollen mehr Energieanbieter Zugriff auf die vorhandenen Netze haben, was die Wahlfreiheit der Kunden erhöht. Zum anderen sollen größere länderüberschreitende Energiekonzerne entstehen, was die Position der EU auf dem internationalen Energiemarkt verbessert.

Nach dem russischen Lieferstopp Richtung Ukraine im Winter 2005 und dem Gasstreit mit Georgien und Weißrussland im vergangenen Winter hatten die EU-Staaten große Bereitschaft gezeigt, sich enger zusammenzuschließen, gemeinsame Energiereserven zu bilden und ihre Märkte und Netze von einem europäischen Regulator überwachen zu lassen. Im März hatten sie einstimmig eine „wirksame Trennung der Versorgung und Erzeugung vom Betrieb der Netze“ beschlossen, „auf der Grundlage unabhängig organisierter und angemessen regulierter Strukturen für den Netzbetrieb“.

Am Mittwoch war allerdings von dieser Bereitschaft nichts mehr übrig. Der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos stellte resigniert fest: „Als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft kann ich keine Mehrheit erkennen, die in Richtung Trennung von Netzen und Energieerzeugung geht. Ich muss mit großem Bedauern sagen, dass es keinen Sinn macht, darüber weiter zu sprechen.“ Zu dem neben ihm sitzenden Energiekommissar Piebalgs sagte Glos: „Die Kommission konnte heute den Willen der Mitgliedstaaten testen – von denen, die eine vollkommene Freigabe wollen, bis zu denen, die keine Entflechtung wollen. Die Kommission hat jetzt die anspruchsvolle Aufgabe, daraus etwas zu entwickeln.“

Mit dieser „anspruchsvollen Aufgabe“ ist Energiekommissar Piebalgs sichtlich unglücklich. „Die Mehrheit steht derzeit nicht auf meiner Seite. Das ist bei dem Treffen sehr deutlich geworden. Für die Kommission ist es sehr schwierig, auf dieser Grundlage einen guten Vorschlag zu machen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine Entflechtung der beste Weg wäre. Aber ich kann die Meinung der Mitgliedsstaaten nicht ignorieren.“

Ratschef Glos konnte lediglich als Erfolg vermelden, dass sich die Benelux-Staaten am 1. Januar 2009 mit Frankreich und Deutschland zu einer „gemeinsamen Plattform“ für den Stromaustausch zusammenschließen wollen. Ein winziger Schritt, getan ausgerechnet von Deutschland und Frankreich, die einer europaweiten Liberalisierung höchst skeptisch gegenüberstehen.

„Eine Entflechtung wäre für eine ganze Reihe von Stromerzeugern existenzbedrohend“, erklärte Frankreichs Umweltminister Alain Juppé nach dem Energieministertreffen. Damit vertrat er die Linie des neuen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der zuerst die nationale Interessen gewahrt sehen und seinen heimischen halbstaatlichen Energieriesen EDF schützen will.

DANIELA WEINGÄRTNER