„Müssen Maschinen Schnitzel essen?“

In der Langen Nacht der Wissenschaften will der Philosophiedozent Uwe Scheffler mit seinen Besuchern über das Denken nachdenken. Er sieht den Forschungsbetrieb in der Pflicht, die Öffentlichkeit an seinen Erkenntnissen teilhaben zu lassen

UWE SCHEFFLER, 49, lehrt Philosophie an der HU. Um 19.30 Uhr spricht er im Raum 2002 des HU-Hauptgebäudes, Unter den Linden 6.

INTERVIEW ANTJE LANG-LENDORFF

taz: Herr Scheffler, Sie wollen bei der Langen Nacht der Wissenschaften mit den Besuchern Gedankenexperimente anstellen. Was ist denn das?

Uwe Scheffler: Das sind Versuche, die nur in der Vorstellung stattfinden. Ich will am Samstag der Frage nachgehen, ob Maschinen denken können. Da kann man zum Beispiel das berühmte Gedankenexperiment des „Chinesischen Zimmers“ machen. Dabei stellt man sich vor, dass jemand in einem Zimmer eingeschlossen ist. Dieser Mensch bekommt chinesische Schriftstücke hereingereicht und soll dazu Fragen beantworten. Aber er versteht gar kein Chinesisch.

Dann kann er die Fragen wohl kaum beantworten.

Doch. Er hat nämlich ein Handbuch, das exakte Anweisungen enthält, was er mit den Schriften zu tun hat. Nach den Regeln dieses Handbuchs schreibt er bestimmte Zeichen auf und reicht sie hinaus. Von außen sieht es dann so aus, als könne er Chinesisch. Der Autor dieses Experiments, John Searle, wollte damit beweisen, dass ein riesiger Unterschied besteht zwischen menschlichem Denken und Symbolverarbeitung.

Was macht denn menschliches Denken aus?

Unsere Vorstellung von dem, was intelligentes menschliches Denken heißt, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Platon zum Beispiel sah das Rechnen als intellektuelle Leistung an. Heute kann das jeder Taschenrechner besser als wir. Meiner Meinung nach können Maschinen in einem gewissen Sinne schon denken. Mit menschlichem Denken ist das aber nicht vergleichbar.

Was ist der Unterschied?

Menschliches Denken ist ein Konglomerat aus verschiedenen Handlungen. Erinnern, Erfahrungen sammeln, lernen, Intuitionen haben, all das gehört dazu. Auch körperliche Erfahrungen und eine bestimmte Emotionalität sind für das Denken wichtig.

Sie wollen den Besuchern also zeigen, dass Maschinen nicht denken können.

Das sagt John Saerle. Ich sehe das, wie gesagt, etwas anders. Maschinen könnten vieles von dem, was Menschen machen. Die Frage ist, ob wir als Menschen das wollen. Zum Beispiel Schnitzel essen. Ich glaube ganz gewiss, dass man Maschinen so bauen kann, dass sie Schnitzel essen können, dass sie das Fleisch zerkleinern, runterschlucken und kompostierbaren Müll daraus machen. Genau wie wir Menschen. Aber wer wird das wollen?

Sie meinen, es geht darum, die Maschinen zu unserem Nutzen einzusetzen?

Genau darüber möchte ich mit den Besuchern reden. Es gibt ja Diskussionen über die Zukunft der Informatik, darüber, was wir von der Maschinisierung des Lebens zu erwarten haben. Manche haben da Bedenken. Wie viel Angst muss man vor einerWaschmaschine haben, die E-Mails an die Mikrowelle schreibt? Ich glaube: Die Maschinen werden alle intelligenter werden, aber das ist nicht schlimm. Im Gegenteil, die intelligenten Maschinen werden das Leben besser machen.

Hoffentlich klingen diese Gedankenexperimente für ihre Besucher nicht wie Chinesisch.

Rund 9.000 Wissenschaftler und Studierende beteiligen sich am Samstag an der 7. Langen Nacht der Wissenschaften in Berlin und Potsdam. Mit 1.500 Veranstaltungen in der Regie von 61 wissenschaftlichen Einrichtungen ist das Angebot noch größer als je zuvor, sagt der Vorsitzende des Kuratoriums der Langen Nacht und Leiter des Ferdinand-Braun-Instituts für Höchstfrequenztechnik, Günther Tränkle.

Seit 2001 wird die Lange Nacht der Wissenschaften immer beliebter. Im ersten Jahr wurden 9.200 Tickets verkauft, 2006 waren es 27.000. Die Lange Nacht der Wissenschaften beginnt am Samstag um 14 Uhr und endet am frühen Sonntagmorgen um 4 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt 11 Euro, ermäßigt 7 Euro, für das Familienticket werden 22 Euro fällig. Auf insgesamt elf Shuttlebus-Routen können die Besucher von einem Ort zum nächsten gelangen. ALL

www.langenachtderwissenschaften.de

Also das glaube ich nicht. Natürlich sind das theoretische Probleme der Philosophie. Auf der anderen Seite beschäftigt sich jeder, der einen Terminator- oder Matrix-Film sieht, mit künstlicher Intelligenz. Ich rede ja manchmal mit Verwandten oder Freunden über meine Arbeit. In der Regel sind die Leute sehr interessiert. Sie wollen wissen: Was macht Denken überhaupt aus? Was passiert da? Gibt es Regeln? Ihre Fragen können auch für mich anregend sein.

Finden Sie es wichtig, dass sich die Wissenschaft für das normale Publikum öffnet?

Unbedingt. Wir leben ja von den Steuerzahlern. Ich denke schon, dass wir den Menschen eine Art Rechenschaft über das schuldig sind, was wir da machen.

Was sollen die Leute von Ihrem Vortrag mitnehmen?

Ich hoffe, sie verstehen, dass Philosophie nicht etwas komplett Versponnenes ist. Natürlich kann man damit keine Brücken bauen. Aber wir Philosophen können Antworten suchen auf Fragen, die sich jeder stellt, der über das Leben nachdenkt.