Künftig nur noch mit Rollatorplatz

WOHNUNGSBAU Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg will die Landesbauordnung ändern. Hausbesitzerlobby und Baubranche sind empört: Novellierung sei „unnötig und ideologiegetrieben“

STUTTGART taz | Im Land der Häuslebauer ist sie von existenzieller Bedeutung: die Landesbauordnung (LBO). Sie wird vermutlich so gründlich gelesen wie sonst nur das eigene Sparbuch. Nun soll sie geändert werden. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg will die LBO auf Umweltfreundlichkeit trimmen. Eine Neufassung soll an diesem Mittwoch vom Parlament verabschiedet werden. Die Hausbesitzerlobby und die Baubranche halten davon nichts.

Was die neue LBO laut Entwurf vorschreibt: Fassaden und Dächer von Neubauten müssen künftig begrünt werden, wenn kein Garten zum Grundstück gehört. An jedem Haus sollen überdachte Fahrradständer (zwei pro Wohnung) Pflicht sein. Ein Viertel der vorgeschriebenen Autoparkplätze kann durch Fahrradstellplätze ersetzt werden. Außerdem soll mehr Rücksicht auf die alternde Gesellschaft genommen werden: Ein Haus mit mehr als drei (statt bisher vier) Wohnungen muss eine barrierefreie Wohnung haben. Künftig muss es Abstellplätze nicht nur für Kinderwagen, sondern auch für Rollatoren geben. Diese neuen Vorschriften machen das Bauen künftig teurer. Die Befürworter einer Novellierung sprechen von „Peanuts“, die Gegner fürchten nicht weniger als den Zusammenbruch des Wohnungsbaus.

Die neue LBO sei ein Bumerang, der zur Landesregierung zurückkehren werde, sagt der Geschäftsführer des Immobilienbesitzerverbands „Haus und Grund“, Ottmar Wernicke. Bald werde weniger gebaut, und wer doch baut, der müsse die gestiegenen Kosten auf die Miete umlegen. Folglich werde das Wohnungsangebot verknappt und der Mietpreis steigt.

Wernicke hält die Novellierung für „unnötig und ideologiegetrieben“. Er befürchtet Willkür bei den Bauämtern. Die Dach- oder Fassadenbegrünung ist laut Gesetzentwurf nur dann Pflicht, wenn „ihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung es zulassen und die Maßnahme wirtschaftlich zumutbar ist“. Jeder Sachbearbeiter auf dem Bauamt kann das anders auslegen. Wernicke sagt: „Damit schiebt die Landesregierung den Schwarzen Peter weit von sich.“

Der Sprecher des zuständigen Verkehrs- und Infrastrukturministers, Winfried Hermann (Grüne), weist das zurück. „Im Baurecht sind Ermessensspielräume nichts Neues“, sagt er. „Wir wollen nicht die Daumenschrauben anziehen.“ Die Verteuerung des Bauens sei überschaubar, für die Fassadenbegrünung benötige man schließlich nur ein paar Pflanzen. Klaus-Peter Gussfeld, zuständiger Referent beim BUND, kann die Kritik ebenfalls nicht nachvollziehen. Er habe den Eindruck, dass „Lobbyorganisationen eine Hetzjagd auf das Ministerium betreiben, weil ihnen diese Richtung nicht gefällt“.

LENA MÜSSIGMANN