„Was wir wollen? Das Gleiche wie ihr!“

Scharfe Attacken von Repräsentanten des Südens prägen die größeren Podiumsdiskussionen auf dem Kirchentag in Köln

KÖLN taz ■ Der Kirchentag war oft eine Bühne für kommende Trends – und diesmal fällt auf, wie selbstbewusst die Vertreter der Entwicklungs- und Schwellenländer auftreten. Am Donnerstagabend etwa fand der „Ruf an den G-8-Gipfel in Heiligendamm“ statt und dabei kritisierte der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu scharf die paternalistische Haltung, mit der die Industrieländer noch immer ihre Hilfsprogramme für Afrika begleiten. „Ich bin kein Objekt des Mitleids und der Almosen.“ Und an die Mächtigen der Welt gerichtet: „Ihr Führer mögt fragen, was ich brauche, was ich will. Nun, ich frage: Was braucht ihr denn? Ich will das Gleiche.“

Einen Tag später verwahrte sich der chinesische Umweltaktivist Chia Kiang auf einem Podium zur Weltwirtschaft strikt dagegen, dass westliche Beobachter ständig ungebetene Ratschläge erteilen: „Versuchen Sie nicht, China zu verstehen, indem Sie ins China-Restaurant gehen.“ Auf derselben Veranstaltung erläuterte der philippinische Soziologieprofessor und alternative Nobelpreisträger Walden Bello, dass der Süden den „Weg des Nordens verlassen muss, der durch hohen Konsum, hohes Wachstum und hohe Umweltschäden geprägt ist“. Er setzt auf regionale Bündnisse. Wenn Argentinien etwa seine Ölimporte aus Venezuela mit Kälbern bezahlt, machen sich beide Länder vom Dollar unabhängiger.

Neben diesem Furor wirken die westlichen Repräsentanten auf dem Kirchentag eher blass. Auch das zeigte sich beim „Ruf nach Heiligendamm“. Kirchentagspräsident Reinhard Höppner, einst SPD-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, erstaunte ebenfalls nicht, als er forderte, man solle „die Mauern einreißen, die zwischen denen sind, die entscheiden, und denen, die betroffen sind“. Die US-amerikanische Attac-Sprecherin Susan George wiederum trug den schon vielfach gehörten Satz vor, dass es keine Würde ohne Gerechtigkeit gebe. Bischof Wolfgang Huber war immerhin auf dem Laufenden, was derweil in Heiligendamm geschehen war: Er kritisierte den dortigen Beschluss, die CO2-Emissionen bis 2050 statt um die nötigen 80 Prozent nur um 50 Prozent zu senken. „Wir bleiben den G 8 auf den Fersen.“

Das Publikum vor dem Kölner Dom klatschte nur bei Desmond Tutu begeistert – und als Kölsche Lieder gesungen wurden. Im Rhythmus schwenkten die Gläubigen rote Luftballons, als zwei Mitglieder der Bläck Fööss zusammen mit einer Jugendband die lokalen Hits vortrugen. Derart heimatverbunden kann man das Motto der Globalisierungskritiker „global denken, lokal handeln“ offenbar auch verstehen.

Die politische Stimmung auf dem Kirchentag wird sich auch an den Resolutionen ablesen lassen, die im Rahmen einzelner Veranstaltungen entstehen oder aber als Unterschriftenlisten eingehen. Deadline ist heute Abend. Bis gestern Mittag hatte erst eine Resolution die Kirchentagsleitung erreicht. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, 20.000 Christen aus dem Irak in Deutschland Asyl zu gewähren. ULRIKE HERRMANN

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