Nutzen für die Patienten fraglich

GESUNDHEIT Bundesregierung plant neue Erprobungswege für medizinische Behandlungsmethoden. Grüne: Das ist kein Fortschritt für die Versorgung

Methoden sollen künftig zeitlich begrenzt erprobt werden können

AUS KASSEL KATJA SCHMIDT

Krankenhäuser werben gern und ausführlich mit innovativen Behandlungsmethoden. Die Chefärzte mögen von den Verfahren überzeugt sein – an belastbaren Studien über den Nutzen für Patienten fehlt es oft noch Jahrzehnte später. Das geplante Versorgungsgesetz könnte das jetzt ändern. Doch die Zweifel wachsen, dass die Bundesregierung bei den neuen Regeln wirklich das Wohl der Patienten im Blick hat.

„Die Bundesregierung verschließt die Augen vor der Problematik“, konstatiert etwa Birgit Bender, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Patientinnen und Patienten können sich bislang nicht sicher sein, ob im Krankenhaus angewandte Methoden wirklich nutzbringend sind.“ Benders Kritik bezieht sich auf Antworten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu einer Kleinen Anfrage ihrer Fraktion zur Nutzenbewertung von nichtmedikamentösen Methoden.

Die Grünen machen sich darin Sorgen über eine Besonderheit des deutschen Sozialrechts: Im Krankenhaus dürfen Diagnose- und Behandlungsmethoden so lange an Kassenpatienten vorgenommen werden, bis der Gemeinsame Bundesausschuss das untersagt, weil er starke Argumente gegen die Methode sieht.

Solche Verbote hat es noch nicht viele gegeben: Die Bundesregierung zählt in ihrer Antwort nur drei Verfahren auf. Bei niedergelassenen Kassenärzten läuft die Sache genau andersherum: Sie dürfen eine neue Methode so lange nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sie zulässt. Dafür sind belastbare Studien nötig. Die Grünen prangern an, welch seltsame Situationen sich durch diese Regelung ergeben. Die Brachytherapie zur Behandlung von Prostatakrebs etwa sei nicht ambulant zugelassen, weil der G-BA ihren Nutzen nicht für erwiesen halte – viele Krankenhäuser böten die Leistung dennoch weiter an. Bei den unterschiedlichen Regelungen für Krankenhäuser und den ambulanten Sektor bleibe es auch zukünftig, betont Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) in der Antwort. Es könne davon ausgegangen werden, dass „für die allermeisten der angewandten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Evidenz einer bestimmten Stufe“ vorliege, schreibt sie. Die Bundesregierung scheint sich mehr Sorgen zu machen, dass eine Methode fälschlich ausgeschlossen werden könnte, als dass Patienten einem Verfahren ausgesetzt werden, das nicht hilft oder gar schadet.

Damit eine Methode bei fehlendem Nutzenbeleg nicht ausgeschlossen wird, soll der G-BA künftig eine zeitlich begrenzte Erprobung anordnen können. Die Behandlung mit der neuen Methode soll währenddessen von den Kassen bezahlt werden. Auch die wissenschaftliche Auswertung soll über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden. Die Hersteller sollen einen – noch nicht näher benannten – Beitrag leisten. Sie können auch selbst eine Erprobung beantragen. Die Hürden für den Ausschluss der Leistung sollen höher gelegt werden.

Die Grünen sehen dies als Hintertür, um neue Methoden an noch mehr Patienten zu bringen. Auch beim Bundesverband der Verbraucherzentralen gibt es Bedenken: „Dass neue Behandlungsmethoden strukturiert erprobt werden – insbesondere bevor sie breit an Patienten angewendet werden –, befürworten wir nachdrücklich“, sagt Gesundheitsexpertin Ilona Köster-Steinbach. „Wir haben allerdings Zweifel, ob die Regelung dem gerecht wird.“ Ihr Verband fürchtet Kostensteigerungen, die nicht zweifelsfrei einen Vorteil für die Patienten bringen.