Mit Verzicht wird weiter gerechnet

THEATER SPAREN II Bonn will drastisch bei der Kultur sparen und hat damit schon mal den Intendanten des Theater, Klaus Weise, vergrault

VON HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Einen Tag Bedenkzeit hat sich der Bonner Generalintendant Klaus Weise genommen, dann zog er am Montag die Konsequenzen. Nachdem der Bonner Finanzausschuss den Beschluss des Kulturausschusses bestätigt hatte, wonach das Theater Bonn ab 2013 rund 3,5 Millionen Euro jährlich einsparen soll, sagte der Theaterchef alle Gespräche über eine Verlängerung seines Vertrages über die Spielzeit 2012/13 hinaus ab. Zwar muss der Stadtrat das noch bestätigen, doch das Durcheinander der Bonner Kulturpolitik erreicht damit einen neuen Höhepunkt.

Seit Monaten werden in der früheren Bundeshauptstadt Zahlenspiele betrieben, die die Kommune vor dem Nothaushalt bewahren sollen. Leitlinie ist dabei die Deckelung des Kulturhaushalts ab 2013 bei 55 Millionen Euro (derzeit 61 Millionen). Für das Theater Bonn mit seinen Spielstätten Oper, Kammerspiele, Werkstatt und Beuel bedeutet das drastische Einschnitte. Wo gespart werden soll, ist jedoch völlig unklar, nachdem die Stadt betriebsbedingte Kündigungen sowie die Schließung der Kammerspiele ausgeschlossen hat.

Weise selbst hat, sagt er im Gespräch mit der taz, mehrere Vorschläge gemacht. So kann er sich die Erhöhung der Eintrittsgelder, die Nichtbesetzung von frei werdenden Stellen oder Sponsoring für eine Oper- und eine Schauspielproduktion vorstellen, was immerhin 1,5 bis 2 Millionen pro Jahr bringen würden. „Über dieses Modell hat niemand mit mir geredet“, sagt er.

Arithmetisch kreativ

Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch dagegen rechnet völlig anders. Das Theater erhalte derzeit 27 Millionen Euro an Zuschuss und der bleibe bis 2015 konstant. Auf Nachfrage, was mit Tariferhöhungen sei, sagt Nimptsch: „Es ist sowohl eine Tarifsteigerung eingepreist wie eine Kürzung von 3,5 Millionen, so dass sie unter dem Strich immer eine 27 da stehen haben.“ Was Nimptsch hier arithmetisch-kreativ als Konstanz verkauft, steht zwar als buchhalterisches Wunschszenario im Haushaltsansatz, geht aber nur durch Einsparungen. Die könnten sogar weit höher ausfallen, sollte die Deckelung des Kulturhaushalts kommen. Meint zumindest der kulturpolitische Sprecher der CDU, Markus Schuck, der für 2013 auf das Theater ein doppelt so großes Finanzloch zukommen sieht.

Generalintendant Klaus Weise will die Rechenspiele nicht mehr mittragen, weil solche Summen nur durch die Kündigung von befristet angestelltem Personal, meist Künstlern, zu erzielen seien. Bei 3,5 Millionen Euro wären es allein 70 Stellen. Das wiederum würde Vorstellungszahl und Einnahmen reduzieren. Eine Milchmädchenrechnung für die Melkkuh Bonner Theater, die seit 2000 ihren Etat bereits um 14 Millionen Euro reduziert und die Hälfte des Personals gestrichen sowie auf eine eigene Tanzcompagnie verzichtet hat.

Neben dem Theater Bonn sollen aber auch die freien Kulturträger wie das Kulturzentrum Brotfabrik oder das Euro Theater Central bluten. Um 30 Prozent sollten ihrer Mittel gekürzt werden – das hat die schwarz-grüne Koalition zwar auf 10 Prozent reduziert, absurd aber bleibt es, weil die Stadt derzeit an einem Kulturentwicklungsplan bastelt, der erst Ende 2012 vorliegen soll. Motto: Erst kaputtsparen, dann planen.

Die Bonner Kulturpolitik irrlichtert momentan zwischen Aktivismus, Konzeptlosigkeit und Legitimierungsstrategien herum. Im Februar hatte die Stadt eine Bürgerbefragung zu Sparvorschlägen bei den freiwilligen Leistungen der Kommune durchgeführt. Auch wenn die nicht repräsentativ war, die Mehrheit stimmte gegen Kürzungen beim Theater wie bei der Freien Szene. Mit ihren Sparmaßnahmen macht die Bonner Politik jetzt deutlich, dass sie die Meinung der Bürger außerhalb von Wahlterminen letztlich nicht interessiert.

Integration delegieren

Die Bonner Spardebatte lehrt noch etwas anderes. OB Jürgen Nimptsch betont, dass eine Schließung der Kammerspiele in Bad Godesberg „aus stadtentwicklungspolitischen Gründen“ nicht infrage komme. Und Kulturdezernent Martin Schumacher machte auf einer FDP-Veranstaltung deutlich, dass das Theater mehr und ein „bunteres Publikum“ ansprechen müsse. Weil also in das ehemals bürgerliche Bad Godesberg immer mehr migrantenstämmige Familien ziehen, soll das Theater in Dienst genommen werden für interkulturelle und integrative Maßnahmen. Wie so oft wird damit das Messianische der Kultur beschworen, die von der Bildung bis zur Integration alles richten soll. Viele Theater sind auf diesen Zug willig aufgesprungen in der Hoffnung auf sichere Etats und zusätzliche gesellschaftliche Legitimation. Bonn zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Was die Politik nicht schafft, delegiert sie an die Kultur. Mehr Geld gibt sie dafür nicht. Im Gegenteil.