Anwälte kritisieren „Käfighaltung“

Nach dem G-8-Gipfel bleibt die Unterbringung von Gefangenen ebenso umstritten wie der Einsatz von Zivilpolizisten. Grüne und Linkspartei wollen Debatte im Innenausschuss. Trotzdem ziehen Politiker und Protestierer eine insgesamt positive Bilanz

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Es gab während der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm keine Toten zu beklagen wie 2001 in Genua, als der Demonstrant Carlo Giuliani von der Polizei erschossen wurde – und es gab an der Ostsee wesentlich weniger schwer verletzte Polizisten, als die Behörden zunächst gemeldet hatten. War die große Aufregung also übertrieben?

Liest man die offiziellen Abschlusserklärungen, scheinen alle Seiten zufrieden. Am Wochenende zogen sowohl Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als auch die Veranstalter der Proteste eine insgesamt positive Bilanz. Die Demo-Koordinatoren von Attac sprachen von einem „vollen Erfolg für die globalisierungskritische Bewegung“. Sie habe die größte Massenmobilisierung erreicht, die es in Deutschland je gegeben habe.

Schäuble wiederum dankte der Polizei, die „einen ruhigen und ungestörten Ablauf des Gipfels in entspannter Atmosphäre gesichert“ habe. Diese Bilanz löste jedoch neuen Streit aus. Denn Schäuble behauptete, der Einsatz der Polizei habe „auch die Freiheitsrechte friedlicher Demonstranten geschützt“. Da sind Oppositionspolitiker und Aktivisten ganz anderer Meinung.

Vor allem die teilweise tagelange Unterbringung von mehr als tausend festgenommen Demonstranten in Käfigzellen stößt auf Kritik – und wird ein juristisches Nachspiel haben. Der Republikanische Anwaltsverein, der die Betroffenen betreut, erstattete Strafanzeige gegen die zuständigen Richter. „Der zentrale Vorwurf ist die unmenschliche Behandlung“, sagte Martin Dolzer vom Anwaltsverein der taz. Die Richter hätten die Zustände gekannt, aber nichts gegen die „Käfighaltung“ unternommen. Die Festgenommenen seien teils 48 Stunden lang eingepfercht worden – mit maximal 2,5 Quadratmeter Platz pro Inhaftiertem, so Dolzer. „Das Licht brannte die ganze Zeit.“ Zwischen den Käfigen, in denen Männer und Frauen untergebracht wurden, habe es keinen Sichtschutz gegeben. Außerdem seien die Inhaftierten gefilmt worden. Wasser und Toilettengänge habe es nur auf Anfrage gegeben.

Inzwischen sind die provisorischen Zellen wieder leer, der überwiegende Teil der Inhaftierten wurde freigelassen. Wie viele Protestler mit Verfahren rechnen müssen, sei bisher unklar, erklärte Dolzer. Das liege auch daran, dass der Zugang der Anwälte zu den Festgenommenen stark behindert worden sei.

Linkspartei und Grüne wollen den Umgang mit den Protesten schon in dieser Woche im Bundestags-Innenausschuss zur Sprache bringen. Es sei „unfassbar, wie wenig man an eine menschenwürdige Unterbringung der Festgenommen gedacht hat“, sagte Grünen-Innenpolitiker Wolfgang Wieland der taz. Er kritisierte auch die Bedingungen, unter denen der Protest gegen den G-8-Gipfel stattfand. So sei „die Ausweitung der Demoverbotszone weit über den Zaun hinaus völlig überzogen“ gewesen.

Auch in der Regierungspartei SPD gibt es Zweifel am staatlichen Vorgehen. So forderte die designierte SPD-Vizechefin Andrea Nahles einen Bericht über den Einsatz von Zivilbeamten bei den Anti-G-8-Demos. „Wenn es Zivilbeamte gab, die auf eigene Kappe agiert und ihre Dienstpflicht verletzt haben sollten, dann muss das aufgeklärt werden.“ Die Polizei hatte zuvor bestätigt, was sie zunächst dementiert hatte: dass bei den Blockaden vor Heiligendamm Beamte in Zivil eingesetzt wurden. Die Polizei wies aber Anschuldigungen von Protestgruppen zurück, vermummte Zivilbeamte hätten Gipfelgegner zu Gewalttaten aufgefordert. „Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, Demonstranten zu provozieren“, sagte dazu Innen-Staatssekretär August Hanning.