Harms will nicht im Sachsen-Sumpf ermitteln

Generalbundesanwältin hat die Akten geprüft, hält sich aber mangels „besonderer Bedeutung“ für nicht zuständig. Dabei hatte der sächsische Verfassungsschutz noch Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gesehen

FREIBURG taz ■ Generalbundesanwältin Monika Harms wird nicht im sächsischen Korruptionssumpf ermitteln. Das teilte jetzt ihr Sprecher Andreas Christeleit der taz auf Anfrage mit. Eine erste Prüfung habe keine Zuständigkeit der Bundes-Anklagebehörde ergeben.

Harms hatte Ende Mai eine vierzigseitige Zusammenfassung der insgesamt 15.000 Seiten umfassenden Verfassungsschutzakten zur Organisierten Kriminalität in Sachsen erhalten. Zeitgleich waren die Akten auch dem sächsischen Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm zur Prüfung zugeleitet worden. Insbesondere die Linksfraktion in Sachsen hatte eine Übernahme des Falles durch Harms verlangt. Die Linke sieht die sächsische Justiz inklusive Schwalm zu sehr in das kriminelle Millieu verwickelt.

Die Bundesanwaltschaft kann die Ermittlungen allerdings nur in bestimmten gesetzlich definierten Fällen, zum Beispiel bei Terrorismus und Spionage, übernehmen. So sollen die Kompetenzen der im Regelfall zuständigen Landesstaatsanwälte geschützt werden. Korruption und Strafvereitelung gehören nicht in die Zuständigkeit der Generalbundesanwältin.

Möglich wäre allenfalls die Ermittlung gegen eine „kriminelle Vereinigung“, wenn eine „besondere Bedeutung des Falles“ vorliegt. Die erforderliche „besondere Bedeutung“ sieht Harms aber nur bei Strafverfahren, die zum „Gebiet des Staatsschutzes“ gehören. Für Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität sei sie deshalb nur zuständig, „wenn eine mafiöse Organisation öffentliche Funktionsträger gezielt korrumpiert, um die Entscheidungsfähigkeit staatlicher Stellen in größerem Umfang lahmzulegen“. Einzelfälle genügten nicht. Außerdem sei zweifelhaft, ob im sächsischen Fall überhaupt eine kriminelle Vereinigung mit dauerhafter Struktur zu Gange war.

Handelt es sich aber tatsächlich nur um Einzelfälle, bei denen Staatsanwälte, Richter und Beamte zu eng mit dem kriminellen Milieu verbandelt waren? Die bisher durchgesickerten Gerüchte über regelmäßige illegale Immobiliengeschäfte, staatliche Kontakte ins Rotlichtmilieu inklusive der Zwangsprostitution Minderjähriger und die Manipulation nachfolgender Prozesse deuten nicht unbedingt darauf hin.

Immerhin hat auch der sächsische Verfassungsschutz seine Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität in Sachsen gerade damit rechtfertigt, das Ausmaß der Fälle gefährde die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Und das Geheimdienstkontrollgremium im sächsischen Landtag hat sich mit den Stimmen von SPD, CDU und Linkspartei dieser Einschätzung einmütig angeschlossen. Außerdem warnte Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) erst vor wenigen Tagen vor dem Landesparlament, dass das mafiöse Netzwerk im Freistaat immer noch intakt sei und zurückschlagen werde.

Nun kann es sein, dass man in Sachsen die Dinge etwas aufbauscht. Die einen, weil sie die Aktensammelei des Verfassungsschutzes nachträglich rechtfertigen wollen, die anderen, weil sie Angst haben, dass die heißen Akten aus Datenschutzgründen gelöscht werden. Aber einen Anfangsverdacht für den Staat durchdringende mafiöse Strukturen könnte man in Sachsen wohl schon annehmen.

Dies gilt vor allem, weil die Generalbundesanwältin in anderen Zusammenhängen viel weniger zimperlich war, um eine eigene Zuständigkeit zu konstruieren. Erst vor kurzem ließ Harms 40 Wohnungen und Arbeitsstätten von G-8-Gegnern durchsuchen. Sie erklärte sich für zuständig, weil die Beschuldigten eine terroristische Vereinigung gegründet haben sollen, deren Ziel es sei, mit Brandanschlägen den G-8-Gipfel zu stören oder zu verhindern. CHRISTIAN RATH