Parade soll berühmte Kulturruine retten

TACHELES Situation des Künstlerhauses weiter offen: Verein um Dr. Motte beklagt Tatenlosigkeit des Senats und ruft zu Protestparade auf

„Die Kultur der Hohenzollern ist nicht die Kultur Berlins“

DR. MOTTE, KULTURAKTIVIST

Noch scheint im Tacheles alles beim Alten zu sein. Der Bau von 1900 strahlt weiter seinen Charme des Halbverfallenen aus, der in Berlin immer seltener zu finden ist. Es ist ruhig im Gebäude, nur wenige Menschen kommen am Donnerstagvormittag in das KünstlerInnenhaus. Nur die Aktiven um den Verein „electrocult“ – unter ihnen der durch die Berliner Love Parade bekannt gewordene DJ Dr. Motte – stehen diskutierend vor dem Haupteingang. Am Samstag wollen sie eine Parade für den Erhalt des Tacheles durchführen.

Seitdem die Mietverträge des Tacheles in der Oranienburger Straße 2008 ausgelaufen sind, geht es hoch her. Der Zwangsverwalter, die HSH Nordbank, wollte das Objekt an Investoren ohne Rücksicht auf die jetzigen NutzerInnen des Gebäudes verkaufen. Das hat bis heute nicht geklappt. Ein angesetzter Zwangsversteigerungstermin am 4. April wurde kurzfristig abgesagt.

Zwar haben die ersten Nutzer bereits das Haus auf Grund finanzieller Angebote verlassen, „das betrifft aber nur die gastronomischen Einrichtungen“, sagt Linda Cerna, Sprecherin des Tacheles. „Keiner ist da traurig, weil die eh nur profitorientiert gearbeitet haben“, behauptet sie. Allerdings verließen Anfang Juni auch die ersten „richtigen“ KünstlerInnen den Hinterhof des Projekts. Cerna ist sich derweil sicher, dass keine weiteren Auszüge folgen werden.

Mutmaßungen hin oder her: „electrocult“ will am Samstag den Forderungen nach dem Erhalt des Projekts Nachdruck verleihen. Anliegen der Parade ist jedoch nicht nur das Kunst- und Kulturprojekt nahe der Friedrichstraße. Der Aufruf wendet sich gegen Mieterhöhungen, die aktuelle Stadtplanungspolitik des rot-roten Senats und plädiert für den Erhalt der elektronischen Subkulturszene Berlins.

„Die Kultur der Hohenzollern soll mit dem Stadtschloss wieder aufgebaut werden, aber das ist nicht die Kultur Berlins“, sagte Motte der taz. „Wir sind nämlich Berlin“, setzt die House Sängerin Paula P’Cay, ebenfalls Mitglied von „electrocult“, dem hinzu. Die Unzufriedenheit mit der Arbeit des Senats ist in ihren Worten deutlich spürbar.

Auch in den Augen des Anmelders der Demonstration, Lotar Küpper, würde mit der Versteigerung des Tacheles nicht nur einem wichtigen Standort der Berliner Subkultur der Tod erklärt: „Das ist das Ergebnis einer antisozialen und unmenschlichen Stadtpolitik.“ Berlin sei gerade für seine „Underground-Electro-Szene“ weltweit bekannt. Diese würde nach und nach zerstört, so der Anmelder weiter. Auch die zahlreichen Hostel-Touristen, die sich nicht nur im Tacheles, sondern auch an der Spree, etwa im dem schließungsbedrohten Kiki Blofeld, vergnügen, würden dann der Stadt fernbleiben.

Das Tacheles finanziert sich seit 2002 tatsächlich ohne finanzielle Unterstützung des Senats und lockt trotzdem laut eigenen Angaben jährlich zwischen 400.000 und 500.000 TouristInnen an – gerade wegen seines „institutionalisierten Subkulturstatus“, wie es Dr. Motte beschreibt. Dass das auch so bleibt, dafür wollen die KünstlerInnen sich engagieren. „Das wird ein heißer Sommer“, kündigt Cerna noch kämpferisch an.

Zugleich rufen die VeranstalterInnen zur Teilnahme an der Demo des Bündnis Mediaspreee Versenken nächste Woche Samstag auf. WERNER KRAUSE

■ Die Demo startet am Samstag um 11.30 Uhr am Oranienplatz, ab 15 Uhr zweite Parade vom Tacheles zum Roten Rathaus