Theaterkantine mit Leseecke

PREMIERE In Prenzlauer Berg hat Deutschlands erste Theaterbuchhandlung, Einar & Bert, eröffnet, wo nun den ganzen November über jeden Abend gelesen, diskutiert und natürlich auch Musik gemacht wird

VON BARBARA BEHRENDT

Berliner Buchhandlungen haben oft sprechende Namen wie Leseglück, Buchkönigin oder Tucholsky. Der Titel Einar & Bert wirkt da etwas kryptisch. Was soll das sein – eine Parodie auf die „Sesamstraße“? Aber die, die angesprochen werden sollen, kommen fast so schnell dahinter, wie man „Theaterbuchhandlung“ sagen kann: Einar und Bert, das ist eine Hommage an den Regisseur und Autor Einar Schleef und an Bert Brecht, den Vater des epischen Theaters.

Einar & Bert hat Anfang November in Prenzlauer Berg eröffnet. „Die erste Theaterbuchhandlung Deutschlands“ nennt sie sich – und vielleicht stimmt das sogar, wo doch selbst bei Dussmann das Regal für Theaterliteratur leicht überschaubar ist. Die Buchhändlerin Juliane Felsmann hat aus der ehemaligen Druckerei in der Winsstraße eine gut sortierte Fachbuchhandlung gemacht, „für alle Theaterinteressierten“. An den Wänden des 80-Quadratmeter-Raums wachsen dunkle Regale in die Höhe, über 5.000 Bücher, DVDs und CDs tragen sie. Man findet alles von und über Dramatiker und Regisseure, opulente Bildbände zu Bühnenbildnern, Schwerpunkte wie Theaterhäuser, Festivals, Puppentheater, Tanz, Performance. Inszenierungen sind auf DVD zu haben, in der Abteilung Hörbücher stößt man auf Dramen und Romane, die von bekannten Schauspielern gelesen werden. Ganz speziell das Fach Musik: Neben CDs von Bühnenkomponisten wie der Band Kante kann man auch altvertraute Songs kaufen, die in aktuellen Inszenierungen verwendet werden. Die Belletristik-Wand ist von Felsmann kuratiert: „Hier stehen Romane, die schon auf die Bühne gebracht wurden – oder solche, wo es höchste Zeit dafür wird.“

Da man in Zeiten des Onlineshoppings kaum von Steglitz nach Prenzlauer Berg fährt, nur um ein Buch zu kaufen, haben sich Einar & Bert eine schöne Bar in der Mitte des Raums geleistet. Da steht ein schwarzes Treppenelement vor Holzvertäfelung – Teil des Bühnenbilds der abgespielten Molière-Trilogie an der Volksbühne. Ein paar Hocker am Tresen, Stuhl und Tisch daneben. Eine Art Theaterkantine, hier soll man sich zum Kaffee oder Wein verabreden, dazu werden Theaterbrezeln gereicht. Ein stilvoller Ort inklusive Leseecke, den der Architekt Alexander Lubic entworfen hat.

Sein Raumkonzept stellt Lubic am 12. November vor – nur eine von 31 Veranstaltungen des Eröffnungsreigens: Den ganzen November über präsentieren Gäste ihre Bücher oder Filme, es wird diskutiert, gelesen, Musik gemacht. Am 17. etwa läuft die Aufzeichnung der „Moskauer Prozesse“ vom Regisseur Milo Rau, am 22. stellen Schaubühnenchef Thomas Ostermeier und der Kritiker Gerhard Jörder ihren gemeinsamen Gesprächsband vor, am 28. diskutieren der Autor Lutz Hübner und der Leiter des Grips-Theaters, Stephan Fischer-Fels, übers Kindertheater.

Der lispelnde Onkel

Mit am schnellsten ausverkauft war der Abend mit Uli Matthes. Der Schauspieler las Wolfgang Borcherts Kurzgeschichte „Schischyphusch“ und nahm alle 45 Zuhörer für den lispelnden Onkel und seinen lispelnden Kellner gefangen. Niemand kann allein durch seine Stimme so bis ins kleinste Detail eine innere Welt entstehen lassen wie Matthes. „Mit flammendem Herzen“, so erzählte er, habe er die Lesung zugesagt. „Die Idee der Theaterbuchhandlung finde ich schön und mutig. Trotz Amazon so was zu machen – toll!“

Wie groß ist Juliane Felsmanns Angst vor den Onlinegiganten? Just zur Eröffnung von Einar & Bert musste in der Brunnenstraße die Buchhandlung Ocelot Insolvenz anmelden – zwei Jahre zuvor war sie eröffnet worden, um „das Leseerlebnis zu revolutionieren“. Felsmann: „Ich denke, Buchhandlungen können überleben, wenn sie eng an ihrer Kundschaft arbeiten oder wenn sie sich, wie in unserem Fall, spezialisieren.“

Die Finanzierung stellt sich bei Einar & Bert als Sonderfall heraus – sie wird getragen vom Verlag Theater der Zeit, der jetzt ebenfalls in das Haus in der Winsstraße gezogen ist. Man dürfe den Laden aber nicht als Verlagsbuchhandlung missverstehen, so Paul Tischler, der Geschäftsführer des Verlags. Von den hier präsentierten 5.000 Titeln werden nur 300 bei Theater der Zeit herausgegeben. Auch der Verlag hat unter dem kleiner werdenden Angebot an Theaterliteratur in den Buchläden zu leiden und sucht neue Vertriebswege.

Noch sind alle bei Einar & Bert im Eröffnungsrausch – beim Konzert von Kante drückten sich die Menschen enger aneinander als die Bücher im Regal. Wenn der November vorbei ist, sind weiterhin vier bis sechs Veranstaltungen pro Monat geplant. Dann soll auch der Onlineshop freigeschaltet werden – denn natürlich kann man sich jedes Buch von Einar & Bert auch liefern lassen.

■ Einar & Bert,Theaterbuchhandlung und Café, Winsstraße 72, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg. Öffnungszeiten Mo.–Fr. 9.30 bis 19.30 Uhr, Sa. 10 bis 18 Uhr, So. 10 bis 16 Uhr