Zerbeult, aber gut gelaunt

BOXEN Nach dem so dramatischen wie hochklassigen Unentschieden zwischen Robert Stieglitz und Felix Sturm hofft das deutsche Profi-Boxen wieder auf bessere Zeiten

Selbst der direkte Konkurrent Arthur Abraham applaudierte den beiden Boxern nach dem Kampf

AUS STUTTGART SUSANNE ROHLFING

Das Publikum auf den Rängen steht, klatscht, hält den Atem an. Mitgerissen von den zwei Männern im Scheinwerferlicht, die in dieser letzten Runde zwar längst auf Automatik geschaltet haben, aber immer noch angetrieben werden von einem unbändigen inneren Willen, den Abend in Stuttgart als Sieger zu beenden. Felix Sturm und Robert Stieglitz hauen, kassieren, bluten, schnaufen – und halten dem anderen immer wieder stand. Kurz darauf steht fest: Es gibt keinen Sieger. Die Kampfrichter bewerten dieses rasante Faustgefecht zweier ehemaliger Weltmeister mit einem Unentschieden. Beide, Sturm und Stieglitz, verlassen den Ring als Gewinner.

Anschließend ist der Jubel groß. Beim Publikum, weil es voll auf seine Kosten gekommen ist und einen Boxkampf gesehen hat, den ein Hollywood-Dramaturg kaum spektakulärer hätte inszenieren können. Bei den Boxern, weil über beiden Karrieren dunkle Wolken hingen, die sich nun in Luft aufgelöst haben. Und nicht zuletzt beim Privatsender Sat1, der gerade sein Box-Engagement ausweitet und ab dem kommenden Jahr auch die Kämpfer des ehemaligen ARD-Stalls Sauerland unter Vertrag hat, weil knapp drei Millionen Zuschauer einschalteten und die Hoffnung, eine neue Box-Ära in Deutschland begründen zu können, nun zumindest nicht im Keim zu ersticken droht.

Selbst die Konkurrenz blieb nicht unbeeindruckt. Der Berliner Supermittelgewichtsweltmeister Arthur Abraham bekannte anschließend, dass ihm während des Kampfes das Adrenalin durch die Adern geschossen sei. „Das motiviert mich, da will ich mitmachen, da will ich am liebsten sofort in den Ring rein“, sagte er. Abrahams Promoter Kalle Sauerland schloss sich an: „Das war ein Mega-Kampf, das war große Werbung für das Boxen, große Werbung für beide Sportler. In der letzten Runde stand ich selbst wie ein Fan auf den Beinen, obwohl keiner der beiden von mir ist.“

Abraham hatte Sturm leicht im Vorteil gesehen. Ein Sieg des Kölners hätte ihm gut gefallen, denn er hatte angekündigt, gegen den Gewinner boxen zu wollen. Abraham gegen Stieglitz hat es schon dreimal gegeben, zweimal mit dem besseren Ende für Abraham. „Ich wünsche mir Felix“, sagte er daher. Doch nach seiner geplanten freiwilligen Titelverteidigung im Februar wird Abraham nun zunächst noch einmal gegen Stieglitz boxen müssen. Denn der Magdeburger bleibt der Pflichtherausforderer des WBO-Weltmeisters, da er gegen den ehemaligen Mittelgewichtsweltmeister Sturm nicht offiziell im Supermittelgewicht, sondern 700 Gramm unter dem Limit gekämpft hatte.

Auch Sturm hatte sich selbst vorn gesehen, kann aber gut mit dem Unentschieden leben. „Jetzt haben wir alle für die nächsten zwei, drei Jahre einen sicheren Arbeitsplatz“, lautete sein Fazit. Das muss ihn erleichtern. Der 35-Jährige hatte seine ganze Boxkunst – Schnelligkeit, Variabilität, Konterstärke – ausgepackt, um nach zuletzt weniger überzeugenden Auftritten und dem Verlust seines vierten WM-Titels im Mittelgewicht gegen den boxästhetisch nicht besonders ausgeklügelt agierenden, aber zwei Jahre jüngeren und eisern voranmarschierenden Stieglitz nicht endgültig ins Abseits zu geraten. Nun kündigte er zerbeult, aber gut gelaunt an, dass seine Frau in „naher Zukunft“ ihr gemeinsames zweites Kind zur Welt bringen und er bis zum nächsten Sommer erst einmal eine Babypause einlegen werde.

Ob er er danach gegen Stieglitz boxt oder gegen Abraham, sei ihm egal, sagte Sturm. Er habe sich auf jeden Fall wohl gefühlt im Supermittelgewicht und mit seinem neuen Trainer Magomed Schaburow. Der gab sich zufrieden, aber auch streng. Felix habe einiges gut gemacht, aber „leider nicht alles“. Dieses „Stehen in der Doppeldeckung“ habe er noch zu oft gesehen, erklärte Schaburow. Die Kombinationen könnten seiner Ansicht nach noch variabler sein, die Schläge aus der Drehung besser. „Ich denke, beim nächsten Mal wird er noch mehr glänzen.“ Und Sturm, ganz der brave Schüler, sagte: „Vielleicht treffen wir uns Montag, Dienstag schon wieder im Gym und arbeiten etwas vor. In der Babypause werde ich nicht allzu viel machen können.“