Altenpflege fürs Abitur

Die Internationale Schule hat eine soziale Ader: Seit diesem Jahr gehört soziales Engagement zu den Abi-Bedingungen

Seit diesem Schuljahr müssen sich die SchülerInnen der Internationalen Schule Bremen sozial engagieren, um ihren Abschluss zu erhalten. Das ist Teil des internationalen Abiturs, das die Schule nun anbietet.

„Die Schüler sind schon sehr selbstbezogen und in ihren Schulsachen drin“, sagt Lehrer Markus Neumann. Das Programm „Creativity, Action, Service“ soll ihnen „den Dienst am Menschen“ nahe bringen. In den letzten zwei Schuljahren müssen sie sich mindestens 150 Stunden kreativ, sportlich und sozial engagieren. Davon 50 Stunden oder mehr in sozialen Einrichtungen. „Sie müssen direkt mit Menschen arbeiten“, betont Neumann, der das Programm betreut. Theoretische Arbeit in gemeinnützigen Organisationen sei zwar ansonsten gern gesehen, zähle hierbei aber nicht.

Eckhard Bergmann zum Beispiel hat mit straffälligen Gleichaltrigen gearbeitet, Julia Schukowski bei einem Tanzprojekt für sozial schwache Jugendliche. „Es war sehr schwierig. Die Hälfte saß in der Ecke und hatte keine Lust“, sagt sie. „Trotzdem haben wir es geschafft, eine Aufführung zu machen.“

Die Internationale Schule hat sonst keinen karitativen Ruf: Bis zu 10.000 Euro jährlich müssen Eltern bezahlen, deren Kinder hier unterrichtet werden. Wie passt das soziale Engagement zu diesem ökonomischen Ausschluss? „Wir haben auch Flüchtlinge aus dem Libanon oder russische Emigranten“, sagt Direktor Malcolm Davis. So würden immerhin über 15 Prozent der Zöglinge wegen ihrer sozialen Situation weniger oder überhaupt kein Schulgeld zahlen. Außerdem entrichten laut Davis alle Einrichtungen, die ein internationales Abitur anbieten, Geld in eine Organisation, die den Aufbau von Bildungssystemen in ärmeren Ländern unterstützt. „Damit Schulen in Afrika billig sind, müssen sie bei uns teuer sein.“

Mindestens pädagogisch hat die neue Abi-Anforderung ihren Reiz: Es gehe um eine umfassendere Erziehung, so Lehrer Neumann. Die könne der normale Schulunterricht nicht bieten. Einmal pro Woche plant er mit der Klasse oder in Einzelgesprächen die Aktivitäten mit den SchülerInnen. Dabei sei es Ermessenssache, was alles als sozialer Dienst gelte. „Der Oma den Rasen mähen“ zähle allerdings nicht. Benotet werden die Aktivitäten nicht. Grundsätzlich verstehe er sich aber „eher als jemand, der den Jugendlichen hilft, etwas zu finden, als jemand, der sie zwingt“.

Seine elfte Klasse sieht das gemischt. Philipp Diekhöner findet, dass die Arbeit manchmal weniger Spaß macht, weil man sie tun muss, um das Abitur zu kriegen. Khaled Naib hält dagegen, dass viele ohne Zwang gar nichts täten. Es sie ja nur eine Einführung, um später selbst weiterzuschauen. Außerdem gefällt ihm, dass „Leute, die sonst den ganzen Tag daheim sitzen und lernen, jetzt auch mal rausgehen müssen“. JANA WAGNER