Mit dem 550er zu den Sternen

AUSGESTOCHEN Für gute Weihnachtsplätzchen braucht es den passenden Stoff, das richtige Rezept und ein bisschen Backwahn. Faulenzer finden in Berlin auch qualifizierte Dealer

LEKTÜRE

■ Franziska Schweiger: „Die Alle Jahre wieder Zimtstern und Vanilleduft Weihnachtsbäckerei“. Gräfe und Unzer Verlag, München 2014, 128 Seiten, 16,99 Euro

■ Virginia Horstmann: „Zucker, Zimt und Sterne. Jeannys Weihnachtsrezepte“. Hölker Verlag, Münster 2014, 64 S., 14,95 Euro

■ „Die Schätze aus Omas Backbuch. Weihnachtsbäckerei“. Bassermann Inspiration, München 2013, 159 Seiten, 14,99 Euro

LÄDEN

■ Mehlstübchen: Leberstraße 28, 10829 Berlin, www.mehlstuebchen.de

■ Makrönchen Manufaktur: Apostel-Paulus-Str. 4, 10823 Berlin, www.makroenchen-manufaktur.de

■ Dresdner Feinbäckerei: Bölschestraße 89, 12587 Berlin, www.dresdner-feinbaeckerei.de/

■ FoodXchange: http://foodxchangeberlin.wordpress.com

■ Schrammel in Wien: http://schrammel-brot-wien.at (hr)

VON HEIDE REINHÄCKEL

Braune Papiertüten mit Mehl reihen sich wie auf einer Zeichnung von Wilhelm Busch auf hölzernen Regalbrettern in Nicole Kamraths „Mehlstübchen“ in Berlin-Schöneberg. „Seit Ende Oktober kaufen die Kunden schon Stollenmehl, ein 550er-Weizenmehl mit größerem Glutengehalt“, verrät Kamrath. Sie verkauft in ihrem Ladengeschäft nur sortenreine Mehle. Und berät, welches Mehl wozu passt. Je kälter es wird, desto näher rückt die heilige Dreifaltigkeit der Weihnachtsbäckerei aus Zimtstern, Vanillekipferl und Stollen. Desto größer wird die Sehnsucht nach den Düften und der Küchenheimeligkeit der Kindheit. Ob selbst gemacht oder gekauft: Die Suche nach den besten Keksen beginnt mit dem Ende des Herbstes, aber auch die nach Backzutaten und Rezepten. „Für Vanillekipferl empfehle ich ein 550er-Mehl aus Weizen Plus.“, sagt Kamrath. Die Meisterin der Mehle weiß, worauf es gemäß dem alten Kindervers „Zucker und Salz, Milch und Mehl“ grundsätzlich ankommt: „Das Mehl muss Backkraft haben, es dürfen keine alten Weizensorten darunter gemischt sein. Unsere Mehle sind deshalb nicht zu fein vermahlen.“

Im „Mehlstübchen“ kann man auch eine Lebkuchengewürzmischung kaufen. Wer lieber selbst Anis und Koriander, Kardamom, Nelken, Muskat und Ingwer zum typischen Weihnachtsduft mischen will, findet dafür eine Anleitung in Franziska Schweigers Backbuch „Die Alle Jahre wieder Zimtstern und Vanilleduft Weihnachtsbäckerei“. Die gelernte Konditorin präsentiert darin traditionelle Familienrezepte mit kreativen Ideen. So kombiniert sie Mürbeteig-Butterherzen mit Zitronencreme, Florentiner mit Pinienkernen oder Schoko-Macarons mit Kaffee und Kardamom. Bei der Lektüre rauschen Rezepte für Plätzchen, Busserl, Makronen, Stollen mit Marzipanfüllung, Spekulatius oder Lebkuchen mit Schoko und Orange vorüber. Etwas traditioneller kommen „Die Schätze aus Omas Backbuch“ daher. Hier verkünden Kartoffelllebkuchen, Grießmakronen, Früchtebrot oder Dattelkonfekt von alten Zeiten. Für Fans von Food-Blogs gibt es jetzt auch ein Backbuch der Bloggerin Virginia Horstmann, die seit 2012 den Blog „Zucker, Zimt und Liebe“ betreibt. In ihrem zweiten Buch, „Zucker, Zimt und Sterne“, präsentiert sie eine Auswahl an Weihnachtsrezepten, darunter Mini-Spekulatius-Cheesecakes oder Lussekotter, ein schwedisches Safrangebäck.

Wer nicht selbst Mehl abwiegen, Butter schmelzen, Herzen und Hörnchen mit Puderzucker bestäuben will (oder nicht wieder in die Verlegenheit geraten will, mit dem Weinglas Plätzchen auszustechen), findet in Berlin ebenfalls gute Adressen. Etwa in Friedrichshagen die Dresdner Feinbäckerei: Stollen und Kekse werden dort in traditionellem Jugendstilambiente angeboten.

Nach Schöneberg lockt die Makrönchen-Manufaktur von Laura Leising, wo es die zarten, luftigen Gebäckklassiker gibt. „Neben unseren zehn Klassiksorten, die wir das ganze Jahr über führen, haben wir in der Weihnachtszeit immer sechs Weihnachtssorten im Angebot. Das ist zum Beispiel Blonde Schokolade mit Lebkuchengewürzen, Marzipan-Orange, Glühwein, Dunkle Schokolade mit Ingwer“, sagt Leising. Experimentierfreudige, die Überraschungen mögen, können am 3. Dezember am FoodXchange in der Markthalle Neun teilnehmen, wo bestimmt auch Plätzchen getauscht werden. Der von Pamela Dorsch und Cathrin Brandes gegründete private Tauschclub für selbst gemachte und selbst geerntete Lebensmittel trifft sich alle sechs Wochen. Berlinflüchtern, die es nach Wien verschlägt, sei dort der beste aller Bäcker empfohlen: die Bäckerei Schrammel in der Triester Straße und ihre legendären Vanillekipferl. Meint jedenfalls mein österreichischer Nachbar, der im Berliner Winter von Wiener Husarenkrapferl träumt.