Die letzte Bulette

Manche Dinge bereut man bereits, bevor man sie in die Tat umgesetzt hat. Die falsche Frau küssen. Nach München ziehen. Mitten in der Nacht auf der Tankstelle eine Bulette vom Vortag essen.

Eigentlich wollte ich eine Bockwurst haben – der Mann hinter der Theke riet mir davon ab. Er hatte den Würstchenwärmer vom Strom genommen; das Kondenswasser sammelte sich an der Innenseite des Glaszylinders. Die restliche Auswahl umfasste die Bulette und ein altes paniertes Schnitzel – ich entschied mich für die Berliner Variante. Dazu ein Bier aus dem Kühlregal und eine pappige Schrippe: Ein Tankstellenmenü für 3,25 Euro, zu zahlen im Voraus.

Der Thekenmann fragte, ob er die Bulette aufwärmen solle. Bitte! Ich bin ein vorsichtiger Mensch, und Hitze tötet Keime. Auf das Bier musste ich vorerst verzichten. Mangels Schankerlaubnis sei der Verzehr alkoholischer Getränke in der Tankstelle nicht gestattet. Wieder was gelernt: Deshalb stehen die Trinker auf den zugigen Parkplätzen, anstatt sich im warmen Kassenraum zu besaufen.

Dreißig Sekunden und das „Ping!“ der Mikrowelle später schob der Mann die fettig glänzende Bulette über den Tresen. Er hatte sie liebevoll auf einen Porzellanteller drapiert und nicht mit Senf gespart. Immerhin, das Auge isst ja bekanntlich mit. Die Bulette selbst machte optisch leider nicht viel her. Die braune Kruste pappig, das Hackfleisch darunter blass, fast kränklich. Beim Anschneiden stieg mir ein Aasgeruch in die Nase. Zum Glück schmeckte die Bulette dann schlicht nach nichts. Der Senf hingegen war köstlich.

Ich aß die Bulette, stippte den Senf mit dem Schrippenrest auf. Ließ mir das Bier öffnen. Trank einen großen Schluck und machte mich auf den Heimweg. Unterwegs summte ich den Chanson von Édith Piaf: „Non, je ne regrette rien“. Nein, ich bereue nichts. TIMO KATHER