jugendclubleiter vor gericht
: Anklage wegen sexuellen Missbrauchs

„Ich habe gedacht, dass ich alles im Griff habe. Ich habe mich überschätzt zu dieser Zeit“, sagt Michael W. dem Gericht. Der angeklagte ehemalige Leiter des Jugendfreizeitheims „Oase“ im brandenburgischen Velten wird beschuldigt, zehn Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren sexuell missbraucht zu haben. 31 Fälle listet die Staatsanwaltschaft aus der Zeit zwischen Ende 1996 und April 2006 auf, die meisten Taten betreffen den 1987 geborenen Neffen des Angeklagten. Gelegenheit bot sich dem Täter in anderen Fällen vor allem bei Übernachtungen der Jugendlichen im Jugendfreizeitheim oder während gemeinsamer Fahrten. So nahm er laut Anklage die Jungen zum Angeln und zu einer mehrtägigen Flugschau nach Nauen mit oder verreiste mit ihnen in den Sommerferien nach Ahlbeck. Auch habe er mit mehreren Jungen einen pädophilen Schwulen in München besucht, den er zuvor im Internet kennen gelernt hatte.

Vor dem Landgericht bestreitet der einschlägig Vorbestrafte an diesem Dienstag vehement jene Taten, die den Zeitraum seiner Bewährung bis Februar 2002 betreffen, und alle Fälle, in denen die Opfer unter 14 Jahre alt sind. „Ich habe niemanden aufgefordert, mich zu berühren. Das hat mit meiner eigenen Kindheit zu tun. Es ist mir zuwider, mich von jemandem berühren zu lassen.“ Am Vormittag räumt er zwei Taten ein, drei will er insgesamt gestehen, sagt sein Anwalt.

Pikant an dem Fall ist, dass der 43-jährige ehemalige Mitarbeiter des Spandauer Jugendamtes bereits Ende 1997 wegen Missbrauchs von Kindern zu zwei Jahren Freiheitsentzug zur Bewährung verurteilt wurde. Die Bewährungszeit endete im Februar 2002. Zehn Monate vorher, im April 2001, stellte ihn die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Veltener „Oase“ ein, im Mai 2001 endete seine Therapie bei „Kind im Zentrum“. Die Therapeuten gaben ihm auf den Weg, alte Verhaltensmuster nicht wiederaufleben zu lassen.

Nach seiner Entlassung aus dem Spandauer Jugendamt hatte sich W. mehrfach um Arbeit im Altenpflegebereich beworben, doch aufgrund seines Führungszeugnisses keine Anstellung gefunden. Bei der AWO hätten seine Vorgesetzten nach W.s Aussage von seiner Vorstrafe gewusst – und ihn dennoch eingestellt. Die „Oase“ sei bis April 2001 geschlossen gewesen, rechte Jugendliche wollten das Gebäude übernehmen. Er habe das Gebäude anfangs fast rund um die Uhr bewacht, um Brandanschläge zu verhindern. „Die ‚Oase‘ war mein Ein und Alles. Da habe ich alles reingesteckt“, sagt der Angeklagte. Entdeckt wurde er durch Fotos auf pädophilen Internetseiten. Am Dienstag wird der Prozess fortgesetzt. UTA FALCK