Erzwungene Verschwendung

Wegen eines Vertrags mit RWE kann die Stadt Lohmar keine Energiesparlampen in ihre Straßenlaternen einbauen. Städtebund NRW: „Kein Einzelfall“. Die Kommune will jetzt klagen

„Stromkonzerne haben kein Interesse, den Stromverbrauch zu senken“

VON MIRIAM BUNJES

Sobald es dunkel wird, verschwendet die Stadt Lohmar im Bergischen Land Geld. Mehr als 60 Prozent ihrer Straßenlaternen sind technisch veraltet, an fast 15 Prozent wurde seit den 70er Jahren nichts mehr modernisiert. „Wir könnten mit besserer Technik mindestens 40 Prozent Strom sparen, ohne dass in Lohmar irgendwo ein Licht ausgeht“, sagt Horst Becker, Fraktionsvorsitzender der Grünen, die die 38.000-Einwohner-Stadt zusammen mit der CDU regieren.

Bis 2013 ist das für Lohmar unmöglich. Die Stadt hat mit RWE einen Vertrag geschlossen, der sie für 20 Jahren an den Energiekonzern bindet. Das Unternehmen liefert den Strom und wartet die Lampen. Und: Die Laternen sind laut Vertrag seit 1993 Eigentum von RWE.

Pro Jahr kostet das die Stadt 280.000 Euro Wartungskosten und mindestens 90.000 Euro für den Stromverbrauch. Die Wartungskosten steigen jedes Jahr, auch das steht im Vertrag. „Das ist viel zu viel“, sagt Becker, der auch für die Grünen als kommunalpolitischer Sprecher im Landtag sitzt. Er hält den Vertrag für sittenwidrig. „Wir bereiten gerade eine Klage vor“, sagt Becker. „Stromkonzerne haben naturgemäß kein Interesse daran, den Stromverbrauch durch Energiesparmaßnahmen zu reduzieren.“ In den „Knebelverträgen“ würden zudem unangemessen hohe Preise festgesetzt. „Sie sind eine klimapolitische Katastrophe.“

Ein Einzelfall sind sie allerdings nicht. „Viele Städte in Nordrhein-Westfalen haben solche Verträge geschlossen“, sagt Barbara Meißner vom Städtetag NRW. Das sei bekannt. „Über die Vertragsbedingungen sind uns aber keine Details bekannt.“

RWE gibt an, bundesweit rund 2.100 solcher Verträge mit Kommunen abgeschlossen zu haben. Ein Eon-Sprecher betont: „Aus NRW ist mir so etwas nicht bekannt.“ Allerdings wirbt das Unternehmen in seinem Internetauftritt mit „Komplettpaketen“ für Kommunen. Die bayrischen Straßenlaternen, ergab eine Recherche des ZDF-Politmagazins Frontal 21, sind fast vollständig im Besitz von Eon. Die deutschlandweite Energiebilanz dieser Besitzverhältnisse ist entsprechend miserabel: Fast ein Drittel aller Straßenlaternen ist mindestens 20 Jahre alt, hat veraltete Leuchten und schlechte Reflektoren, ermittelte der Berufsverband der Leuchtenindustrie.

Die Kommunen kostet das viel Geld. Rund 20 Prozent eines Haushalts geht jedes Jahr für Beleuchtung drauf. „Dabei gibt es intelligente Lichtsysteme, die sich selbstständig den Lichtverhältnissen anpassen und in der Dämmerung noch nicht voll leuchten“, sagt Horst Becker. Schulen und öffentliche Gebäude in seiner Stadt werden nach und nach auf solche Systeme umgestellt. „Die Ersparnisse sind schon jetzt enorm.“

Die outgesourcten Straßenlaternen Lohmars sind davon weit entfernt. Becker will sich aber jetzt im Parlament für landesweite Aufklärung einsetzen. „RWE geht mit diesen lukrativen Verträgen natürlich nicht in die Öffentlichkeit“, sagt Becker. „Und auch die Kommunen gehen nicht offen damit um.“ Tatsächlich bestritten in einer taz-Stichprobe alle Städte solche Stromdeals. „Unsere Städte müssen jetzt die Weichen stellen, um nicht langfristig von den Energiekosten erdrückt zu werden“, sagte unlängst Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) auf einer kommunalen Tagung der Energieagentur. Für Lohmar ist das unmöglich.