Penne privatisiert

Zahl der Privatschüler in NRW steigt. 20 Prozent der Eltern wollen ihre Kinder nicht mehr auf staatliche Schulen schicken. Opposition: Rebellion gegen Politik der Landesregierung

VON MARTIN TEIGELER

Zahlreiche Schülerinnen und Schüler kehren den staatlichen Schulen in NRW den Rücken. Die Schülerzahl an allgemein bildenden Privatschulen in Nordrhein-Westfalen stieg in 2007 um 1.903. Das ist ein Zuwachs um 1,2 Prozent. Insgesamt besuchen derzeit 163.589 NRW-Schüler eine nichtöffentliche Schule – nach Angaben des Privatschulverbandes (VDP) sind das so viele wie noch nie. „Diese Zahlen verdeutlichen, dass immer mehr Eltern die Vorteile eines privaten Schulangebots für ihre Kinder erkennen“, sagte VDP-Geschäftsführer Roman Friemel gestern in Düsseldorf.

Nach ihm vorliegenden Umfragen wollten rund 20 Prozent der Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken, sagte Friemel. „Viele Eltern sind bereit – teilweise auch durch eigenen Verzicht – ihren Kindern die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen“, so Friemel. Der Privatschul-Lobbyist bezeichnete „spezielle pädagogische Profile, ein gutes Schulklima oder eine individuelle Betreuung“ der Schüler und Schülerinnen als „Markenzeichen von Schulen in freier Trägerschaft“. Immer mehr Eltern legen Wert auf diese Vorzüge der nicht-staatlichen Bildungseinrichtungen – auch wenn sie pro Monat zwischen 100 und 800 Euro für die Nobel-Anstalt zahlen müssen.

Das nordrhein-westfälische Schulministerium reagierte zurückhaltend auf die Offensive der Privatschulen. „Wir sehen keine Veranlassung diese Zahlen zu kommentieren“, sagte ein Sprecher von CDU-Ministerin Barbara Sommer gestern auf taz-Anfrage. Allgemein sehe man Privatschulen als „Ergänzung“ zu den staatlichen Schulen.

Die steigende Zahl der Privatschüler sei ein Beleg für „die Rebellion gegen die Schulpolitik der schwarz-gelben Landesregierung“, sagte Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. Der „starke Trend Richtung Privatschulen“ sei eine Fluchtreaktion auf die bevormundende Politik von Schulministerin Sommer. „Kopfnoten und andere Methoden von gestern machen die staatlichen Schulen unattraktiv“, sagte Beer. Die Ministerin müsse aufhören, die Schülerinnen und Schüler mit unsinnigen Reformen zu bedrängen.

Seit Amtsantritt der schwarz-gelben Koalition im Jahr 2005 wird das staatliche NRW-Schulsystem umgebaut. An den Gymnasien wurde der Weg zum Abitur um ein Jahr verkürzt, zentrale Prüfungen wurden nicht nur beim Abitur, sondern auch für die zehnten Klassen eingeführt. Die Lehrer erhielten mehr Disziplinarrechte. Mit Kopfnoten sollen sie das Sozialverhalten ihrer Schüler bewerten.

Der Lehrerverband VBE sieht in den neuen Privatschul-Zahlen zwar kein „NRW-spezifisches Phänomen“, aber dennoch ein „Zeichen“, sagte NRW-Landessprecher Udo Beckmann. Die Eltern in Nordrhein-Westfalen hätten offenbar nicht mehr das Vertrauen, dass ihre Kinder in staatlichen Schulen „ausreichend gefördert“ werden.