IN DER ZEITMASCHINE
: She drives me crazy

An seinem Gürtel steckte ein Walkman. Ja, es war ein Walkman

Irgendetwas war anders als sonst. Ich war gerade in die U2 eingestiegen und auf dem Weg zum Bahnhof Zoo. Ein Dienstag, ein später Vormittag. Oben, über der Erde, war der Himmel bewölkt. Unauffällig musterte ich die anderen Fahrgäste. Ich brauchte eine Weile. Dann wusste ich, was los war. Aber warum? Ich tastete in der Tasche nach meinem Handy. Es war noch da. War ich gerade in eine Zeitmaschine getreten?

Ich hatte gestern keine Nachrichten gehört und auch den Fernseher nicht angemacht. Ich hatte abends ein Buch gelesen. War heute das komplette Handynetz von Berlin abgeschaltet worden und ich hatte nichts davon mitbekommen? Ging so etwas überhaupt? Warum hatte niemand ein Handy oder Smartphone in der Hand? Oder war das hier etwa ein Flashmob? Ein Flashmob, den niemand dokumentierte, etwas ganz Neues, Revolutionäres?

Während ich noch grübelte, stieg am Gleisdreieck eine Frau mit einem Handy am Ohr ein. Jetzt!, dachte ich. Jetzt passiert etwas. Es passierte auch etwas. Etwas völlig Unspektakuläres. Die Frau sah sich im Waggon um, sagte noch etwas in ihr Telefon und steckte es dann in ihre Tasche. Sie setzte sich auf einen freien Platz, holte einen kleinen Spiegel heraus und überprüfte ihre Frisur. Sie hatte einen schönen geflochtenen Zopf, aber das half mir in keinster Weise weiter.

Am Wittenbergplatz stieg dann ein blasser Junge mit Turnschuhen und Neonschnürsenkeln ein. Er hatte Kopfhörer auf den Ohren, aus denen ziemlich laute Musik drang. „She drives me crazy“. Ich erkannte den Song sofort. Von den Fine Young Cannibals. Und an seinem Gürtel steckte ein – Walkman. Ich sah noch einmal hin: Ja, es war ein Walkman. Also doch eine Zeitmaschine. Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Ich war wieder in den 80er-Jahren und fuhr mit der U2 zurück in das Herz meiner Jugend. DANIEL KLAUS