Es war Mord

Das Landgericht hat die ehemalige Krankenschwester Irene B. zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt

„Auch ein Leben, das nur noch kurz dauert, ist schützenswert“, sagte der Vorsitzende Richter Peter Faust bei der Verkündung des Urteils über die Krankenschwester Irene B. Er verurteilte die 55-Jährige wegen fünffachen Mordes zu lebenslanger Haftstrafe. Im Falle eines sechsten Mordes und zweier Mordversuche gab es mangels Beweisen Freisprüche.

Im Juli 2005 begann die Angeklagte ihre Mordserie auf der kardiologischen Intensivstation der Charité. Damals hatte sie während einer Reanimation einem 66-jährigen Krebspatienten ein blutdrucksenkendes Medikament gespritzt, woran dieser starb. B. bestreitet diesen Mord, sie übernimmt nur Verantwortung für vier Fälle aus der Zeit vom August bis Oktober 2006 und beruft sich auf unverlangte Sterbehilfe. Ihre Verteidiger forderten darum Verurteilung wegen Totschlags. Die Richter konterten: „Dieser Fall hat absolut nichts mit Sterbehilfe zu tun.“

Gerade der Fall einer 48-Jährigen, deren letzter Wunsch es war, in ein Krankenhaus nach Wolfenbüttel verlegt zu werden, um zu Hause sterben zu können, habe nichts mit Willen und Wohl der Patienten zu tun, auf die B. sich beruft. „Sie hat getötet, wenn sie meinte, die müssen jetzt sterben“, sagte Richter Faust und sah das Mordmerkmal der „niedrigen Beweggründe“ gegeben, ebenso das Merkmal der Heimtücke. B. nutzte die Arglosigkeit der Ärzte aus, im Fall der Wolfenbüttelerin war es die des am Bett sitzenden Ehemanns. Eine besondere Schwere der Schuld wollte das Gericht aber nicht feststellen. Diese würde den Zeitpunkt der Entlassung erheblich herausschieben. Die Angeklagte gestand die meisten Fälle rasch, war nicht vorbestraft, die Taten geschahen „in einer schwierigen Umgebung, nämlich dort, wo sowieso gestorben wird“. Auch mache ihr Alter sie empfindlicher für Strafen, begründete Faust das Urteil. Er sagte auch, dass dieser Prozess kein Prozess gegen die Charité war.

Dort wurde freilich monatelang nicht gegen B.s bekannte Ruppigkeit eingeschritten. „Ein System, das solche Fehler nicht erkennt und abstellt, muss entfernt werden“, so Faust. Klaus Bendig, Nebenklage-Anwalt für die Angehörigen eines Opfers, prüft jetzt weitere Strafanzeigen und bereitet die Zivilklage gegen die Charité vor. UTA FALCK