Fest im Sattel

Ob ihm die Militärjacke wirklich zu groß war? Jedenfalls sah Felipe Calderón wenig attraktiv aus, als er sich kurz nach seinem Amtsantritt am 2. Dezember letzten Jahres mit einer olivgrünen Uniform in der Öffentlichkeit zeigte. Die Schultern hingen schlapp herunter, die Ärmel ragten weit über die Arme hinaus. Und so legte der frisch gekürte mexikanische Präsident die Tarnkleidung wieder ab, ohne jedoch von der politischen Botschaft abzurücken, die von der Kleiderauswahl ausging: Das Militär wird eine führende Rolle im Kampf gegen das organisierte Verbrechen einnehmen. Von nun an sollte das Land mit „harter Hand“ geführt werden.

Der 44-jährige Politiker der rechtskonservativen Partei der Nationalen Aktion PAN musste Stärke zeigen. Seit Calderón sechs Monate zuvor, am 2. Juli 2006, mit einer äußerst knappen Mehrheit die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, versuchten die Anhänger des linken Kandidaten Andrés Manuel López Obrador mit Massenprotesten ihn aus seinem Amt zu treiben. Sie warfen ihm vor, durch Betrug an die Macht gekommen zu sein.

Außerdem war im Bundesstaat Oaxaca gerade ein Aufstand blutig niedergeschlagen worden, und zugleich tobte ein Krieg zwischen Drogenbanden, der im Laufe des Jahres über 2.000 Menschenleben gefordert hatte. Also ließ Calderón keine Zweifel aufkommen: Zum Innenminister ernannte er den Gouverneur Francisco Ramirez Acuña, der sich durch sein brutales Vorgehen gegen Globalisierungskritiker im Jahr 2004 als rechter Hardliner bereits einen Namen gemacht hatte. Zudem erhöhte Calderón den Sold der Armeeangehörigen um ein gutes Drittel und schickte die Militärs an die „Front“. 30.000 Soldaten sind seither im Einsatz, um Marihuanafelder zu zerstören oder gegen die Drogenmafia vorzugehen, unterstützt von zahlreichen Beamten der Bundespolizei.

„Im Allgemeinen wird Calderóns entschlossenes Handeln gegen das Drogenschäft gut aufgenommen,“ meint Alberto Aziz Nassif vom sozialwissenschaftlichen Institut Ciesas. Allerdings hat sich der Drogenkrieg trotz des härteren Vorgehens weiter verschärft und so kann von einem Erfolg bislang nicht die Rede sein. Allein im ersten Halbjahr 2007 sind rund 1.200 Menschen im Kampf um Einflusszonen oder gegen Calderóns Truppen gestorben: Killer, Drogendealer, Polizisten, Politiker, Journalisten.

Um gegen korrupte Beamte vorzugehen, räumt der Staatschef auch intern auf. Erst Anfang letzter Woche wurden 284 hochrangige Bundespolizisten von ihren Posten entfernt. Schon im Januar entwaffneten Soldaten 2.300 Polizeibeamte in der nördlichen Grenzstadt Tijuana, viele der beschlagnahmten Waffen waren bei kriminellen Aktionen benutzt worden.

Inzwischen stößt die starke Militärpräsenz jedoch zunehmend auf Kritik. Sicherheitsexperten befürchten, dass die Soldaten künftig in die Drogenmafia eingebunden werden, so wie es bisher mit Polizisten der Fall war. Menschenrechtler verweisen darauf, dass Armeeangehörige im Mai zwei Frauen und drei Kinder an einer Kontrollstelle in Sinaloa erschossen haben. Noch immer ist ungeklärt, ob der Tod einer Indígena Ende Februar im Bundesstaat Veracruz auf eine Vergewaltigung durch Soldaten zurückzuführen ist. Noch vor der ersten medizinischen Untersuchung hatte Calderón das Militär in Schutz genommen und den Tod der 73-Jährigen auf eine Gastritis zurückgeführt.

Energisch reagierte der Politiker, als die sozialdemokratische Regierung von Mexiko-Stadt Ende April die Abtreibung legalisierte. Dem Versuch, diese Reform auf das ganze Land auszudehnen, werde er entschieden entgegentreten, erklärte Calderón unisono mit den Vertretern der katholischen Kirchenhierarchie.

Nicht nur das verbindet ihn mit seinem Vorgänger Vicente Fox. Wie dieser hält Calderón am Kurs der wirtschaftlichen Öffnung fest. Forderungen von Bauernverbänden, das Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada neu zu verhandeln, lehnt Calderón ab. „Der Schlüssel für Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen ist die Investition“, erklärt er. Calderón kann auf entsprechende Zustimmung verweisen. Nach Umfragen der konservativen Tageszeitung Reforma bewerten 58 Prozent der Mexikaner die Politik des Präsidenten positiv. Entgegen anderslautenden Voraussagen sitzt er fest im Regierungssattel. Auch die sonntägliche Demonstration von Anhängern seines linken Widersachers López Obrador wird daran nichts ändern.