Tod im Krankenhaus

Ludwig wurde nur sechs Tage alt. Er starb im Krankenhaus an einer Blutvergiftung, die laut Anklage zu spät erkannt und dann falsch behandelt wurde. Zwei KinderärztInnen stehen dafür vor Gericht

VON ELKE SPANNER

Die Mutter ist wieder schwanger, fünf Jahre, nachdem ihr Sohn Ludwig kurz nach der Geburt verstarb. Jetzt blickt sie mit leeren Augen auf die beiden ÄrztInnen gegenüber, die verantwortlich sein sollen für den Tod des Babys. Der Säugling hatte eine Blutvergiftung, doch das, sagt die Anklage, wurde erst nicht erkannt, dann falsch behandelt. Er erlitt eine schwere Hirnblutung, der Kreislauf kollabierte. Ludwig starb, als er sechs Tage alt war. Zwei KinderärztInnen, die damals auf der Kinderstation des Marienkrankenhauses arbeiteten, müssen sich seit gestern vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Der kleine Junge ist unter den Augen von Krankenschwestern, Hebammen und ÄrztInnen gestorben. Vier Tage schon hatte er nichts mehr getrunken, nur noch geschlafen, doch erst kurz vor seinem Tod wurde sein kritischer Zustand überhaupt erkannt. Dabei war Ludwig eine Risikogeburt: Die Mutter hatte bei der Entbindung einen Infekt und Fieber. Das Kind wurde per Kaiserschnitt geholt, weil seine Herztöne nicht in Ordnung waren. Bei der Not-Operation war ein Kinderarzt dabei, der all das wusste – und trotzdem kümmerte sich in den folgenden Tagen offenbar kein Arzt um das Kind.

Nachdem Ludwig zunächst noch gut an der Brust seiner Mutter trank und immer wieder wache Momente hatte, wurde er immer schläfriger und stellte das Trinken ein. Immer wieder habe sie den Schwestern gesagt, dass es ihrem Baby nicht gut ging, beteuert Silke T. Die hätten ihr nur erklärt, wie sie ihn zum Trinken wachbekomme – untersucht, sagt Silke T., wurde das Kind nicht. Über Nacht hatte sie ihn sogar zu den Schwestern ins Kinderzimmer gebracht. „Ich dachte, dass er da intensiv beobachtet wird.“ Wenn die 40-Jährige über die Geschichte ihrer Familie spricht, wirkt sie nicht anklagend oder wütend, sondern eher ratlos, fragend. Bis heute kann sie nicht verstehen, wieso es zum Tod ihres Babys kommen musste.

Eine Antwort darauf bekommt sie auch an diesem ersten Verhandlungstag nicht. Ungeklärt bleibt bisher, ob die richtigen ÄrztInnen auf der Anklagebank sitzen. Für das Kind, das wird deutlich, fühlte sich niemand wirklich zuständig, und auch die Organisationsstruktur der Klinik klärt die Frage der Verantwortung nicht. Konstantin P., damals Stationsarzt auf der Kinderstation, sagt, die Schwestern der Wochenstation müssten die Kinderärzte bei Erkrankung eines Babys alarmieren. Der Anwalt der Eltern hält dem entgegen, dass Patienten nicht bei Krankenschwestern, sondern bei Ärzten in Behandlung sind. Außerdem, so Rechtsanwalt Johann Schwenn, hätten die Kinderärzte nicht darauf warten dürfen, gerufen zu werden, sondern hätten selbst tätig werden müssen. Dass Ludwig eine Risikogeburt war, war über die Anwesenheit eines Kinderarztes beim Notkaiserschnitt bekannt.

Doch trotzdem wussten die ÄrztInnen auf der Kinderstation offenbar nichts über die dramatischen Umstände von Ludwigs Geburt. In der Akte des Babys stand nichts darüber, dass seine Herztöne vor der Entbindung alarmierend waren und seine Mutter unter einer Infektion litt. „Das gehört doch zur Krankenakte eines Risiko-Neugeborenen dazu“, hält der Sachverständige den beiden Angeklagten vor. Konstantin P. erwidert: „Ich hatte diese Informationen nicht.“ Und selbst wenn er die Umstände der Geburt gekannt hätte, wäre es „nicht meine Aufgabe gewesen, zu interpretieren, was ein zu schneller Herzschlag vor der Geburt bedeutet hätte“. Das sei Aufgabe der Gynäkologen auf der Geburtsstation. Die Ermittlungen gegen die sind eingestellt.

Der Prozess geht heute weiter.