Der Trainer ein Henker, die Mutter die Zuflucht, der Traum vorbei

DOKU Fünf junge Fußballtalente glaubten, mit ihnen ginge es nur bergauf. Doch heute hadern selbst die Erfolgreichen mit sich („HalbZeit“, 3sat, So., 21.40 Uhr)

Sie waren Superkicker, die glaubten, das Leben sei eine ewige Jugendmeisterschaft. Aus ihnen wurden Wanderarbeiter

Sie hätten am liebsten für immer das gelbe Leibchen der Dortmunder Borussen angelassen. Dann wären sie heuer Meister geworden und hätten ein paar Millionen auf dem Konto. Aber von diesen fünf Fußballern, deren Lebensweg Filmemacher Christoph Hübner seit 1998 verfolgt, hat es nur einer „geschafft“: Florian Kringe. Er darf sich deutscher Meister nennen, obwohl er in der vergangenen Saison keine tragende Rolle im Team des BVB spielte.

Kringe stand mit seinen vier Kumpels vor 13 Jahren im Finale der B-Jugend-Meisterschaft – und gewann. Wie das so ist mit 17, träumen sie von der großen Karriere, aber der Hindernislauf auf dem Parcours des Fußballs liegt nicht allen. Damals, 2003, als Hübner seinen Kinofilm „Die Champions“ über ebenjene fünf Helden herausbrachte, war noch offen, wo die Lebenswege hinführen würden. Heute ist klar: in die zweite belgische oder ecuadorianische Liga, zum Studium nach Oxford und danach zur Weltbank in Washington – oder zurück zu Mutti. Aus kleinen Superkickern mit Starambitionen wurden Wanderarbeiter; selbst ein Florian Kringe hadert mit dem Schicksal.

Die Binsenweisheit, wonach es nicht jedes Talent nach oben schafft, ist die zentrale These des Films. Es braucht ein wenig Geduld, sich auf diese Banalität einzulassen, zumal Tonqualität und die Behäbigkeit der Bilder nicht gerade Lust machen, länger als fünf Minuten zuzuschauen. Aber man würde etwas verpassen, zappte man vorschnell weg. Zum Beispiel den Auftritt des tragischen Fußballers Francis Bugri, dem die tragende Rolle dieses Streifens gebührt hätte. Der Sohn einer Rumänin und eines Ghanaers vermag den Ball zu streicheln, spielt die U17-WM gemeinsam mit Sebastian Deisler (noch so ein tragischer Held), Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller, kann sich aber nicht durchsetzen, weil er lieber spielt als bolzt und rempelt. „Er ist zu lieb“, sagt seine Mutter im Film irgendwann. „Was ist daran schlecht, lieb zu sein“, fragt der Sohn zurück.

Es ist rührend und unendlich traurig, Bugri dabei zuzusehen, wie ihm sein Lebenstraum entgleitet, wie er in der Holzhackertruppe von Kickers Emden nicht klarkommt mit dem physischen Spiel und später aus der zweiten dänischen Liga zurück zu seinen Eltern flieht. Wie ein Scharfrichter urteilt der Emdener Trainer über ihn: „Er ist in seiner Entwicklung stehen geblieben, nur Fußball spielen reicht nicht, man muss auch mal die Ellenbogen ausfahren.“ Man fragt sich, was wohl aus Francis Bugri geworden wäre, wenn er den richtigen Mentor gehabt hätte. Aber im Fußball-Business wird, wie in anderen Geschäftsfeldern auch, nach den harten und scheinbar gnadenlosen Gesetzen des Marktes geurteilt: Alles muss stimmen: die Physis und der Kopf. Man muss immer wollen und immer können. „Das hört nie auf“, sagt Kringe, „man darf sich nie zurücklehnen.“

Vielleicht liegt deswegen eine tiefe Melancholie über dem Film: Weil hier eine Handvoll Fußballer, die glaubten, das Leben sei eine ewige B-Jugend-Meisterschaft, von der Realität belehrt werden. MARKUS VÖLKER