Müssen Ostklubs oben dabei sein?

PRO & CONTRA Am Samstag empfängt Hansa Rostock Dynamo Dresden. Doch beide Exerstligisten kicken nur noch in der Dritten Liga

Ja Fußball ist wie die Welt. Folglich bildet der deutsche Fußball hiesige Gegebenheiten ab: Als 1990 zu den 62 Millionen Westdeutschen 17 Millionen Ostdeutsche kamen, kickten fortan 16 Westklubs und zwei Ostklubs in einer Bundesliga. Halbwegs ein Abbild der Gesellschaft also, was da durch die Entsendung von Rostock und Dresden zustande kam.

Nicht wesentlich anders, nämlich nach regionalem Proporz, wurde 1963 auch die Bundesliga zusammengestellt. Und in den sechziger Jahren leistete sich der DFB sogar die Regel, dass Westberlin immer oben dabei sein müsse: Wenn Hertha gar niemandem mehr zumutbar war, 1965 etwa wegen eines Handgeldskandals, musste halt irgendein anderer Westberliner Klub ran, auch wenn es nur die Loser von Tasmania waren.

Fußball soll nämlich abbilden. Nach Frankreichs WM-Erfolg mit der équipe multiculturelle 1998 wurde auch dem DFB klar, dass im Fußball die gesamte Gesellschaft stecken soll. Erst seitdem werden gezielt Kicker mit türkischen, arabischen und polnischen Namen integriert. Der DFB musste sich erst öffnen, bis mit den Özils, Khediras und Podolskis aus Talenten Weltklasseleute wurden.

Derzeit ist der einzige Ostdeutsche in der DFB-Elf Toni Kroos, der bei Real Madrid in der Weltklasse spielt. Frühere DFB-Teams waren noch stärker mit Ostkickern gespickt – und von ihnen geprägt: Ballack, Schneider, Jeremies, Linke, Kirsten, Böhme, Rehmer und so weiter.

Es braucht kein Gesetz, keine DFB-Regel, keinen Ossi-Integrationserlass. Aber den Planern im deutschen Fußball sollte schon bewusst sein – und mit Nachdruck bewusst gemacht werden –, dass es auch in der Uckermark und im Erzgebirge Talente gibt, die das verdammte Recht haben, gefördert zu werden. Und dass es dem hiesigen Fußball nicht schadet, wenn zur Förderung gehört, sie garantiert oben mitspielen zu lassen. Und oben heißt: Bundesliga. MARTIN KRAUSS

Nein Sie hatten ihre Chance – und sie haben sie vergeigt. Nur in ein paar gallischen Dörfern (Cottbus, Rostock und auch Aue) haben sie sich gegen schlechte Einflüsse von außen abschotten und lange Zeit oben halten können. Das war verblüffend genug. Als jedoch das fußballerische Erbe der DDR-Zeit durchgebracht worden war und man mit der sprichwörtlichen Wagenburgmentalität nicht mehr weiterkam, ging’s dahin. Die Vereine sackten ab. Heute spielen Dynamo Dresden und Hansa Rostock, die einstigen Bundesligisten, nur noch in Liga drei und treffen sich zum „Ostgipfel“ an der Ostseeküste. Das ist vor allem etwas für Nostalgiker und Freunde der gepflegten Fußballrandale. Denn beide Fangruppen haben einiges auf dem Kerbholz.

Am Wochenende wollen die verfeindeten Lager unter Beweis stellen, dass sie ganz böse Jungs sind. Mehrere hundert Polizisten sind in der Hansestadt im Einsatz. Das führt dazu, dass sich das Negativimage über den Ostfußball verfestigt. Zwischen Leipzig, Erfurt, Jena und Halle wurde also nicht nur Misswirtschaft in großem Stil betrieben. Vereine wurden nicht nur in zahlreiche Insolvenzen getrieben und teilweise von rechten Fans unterwandert, nein, auch die Gewaltproblematik ist virulent.

Bis Mitte der nuller Jahre konnten also noch ein paar Ostvereine ganz oben mithalten, doch den dann nötigen Innovationsschub verpassten sie komplett. Sicherlich fehlt es an Geld im strukturschwächeren Osten, aber das allein kann es ja wohl nicht sein. Gedanklich gefangen in der Vergangenheit, hat man viele handwerkliche Fehler gemacht. Die Lust an der Bereicherung war oft größer als die am Fußballspiel. So kommt’s zu einer absurden Pointe in Neufünfland: Retortenklub RasenBallsport Leipzig wird es sein, der den Osten repräsentiert. Warum? Weil dem Brauseklub mit den vielen Millionen der Stallgeruch fehlt. Er stinkt nicht nach Pleite und Klopperei. MARKUS VÖLKER