Charité operiert an Strukturen

Nach den Patientenmorden will die Klinik die Kommunikation auf den intensivmedizinischen Stationen verbessern. Zudem soll mehr geschult und die Präsenz von Ärzten erhöht werden

VON UTA FALCK

Die Charité zieht Konsequenzen aus den Patientenmorden durch eine Krankenschwester. Unter anderem will sie die intensivmedizinische Versorgung an dem Universitätsklinikum umstrukturieren. Die Leitung der Klinik folgt damit den Empfehlungen der Kommission „Patientensicherheit“, deren Bericht gestern vorgestellt wurde.

Zwar war das Verfahren gegen die Schwester Irene B. keines gegen das Krankenhaus, so der Richter bei der Urteilsverkündung vor zwei Wochen. B. wurde wegen fünffachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Dennoch wurde Kritik an der Charité laut, unter anderem, weil Mitarbeiter trotz früher Anzeichen auf die Morde nicht reagiert hatten. Eine Woche nach Prozessbeginn hatte die Klinik eine vierköpfige Kommission gebildet.

„Wir haben auf der Station Kommunikationsprobleme, ein starkes Obrigkeitsdenken und ein Defizit an Zivilcourage entdeckt“, sagte der Präsident der schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften, Peter Suter, der der Kommission angehört. „Mehr als die Hälfte der vorgeschlagenen Maßnahmen zielen deshalb darauf, den Austausch zwischen Pflegern und Ärzten zu verbessern.“

Die Kommission entwickelte fünf konkrete Vorschläge: Erstens habe man ein „Zwischenfallmeldesystem“ eingerichtet. Eine Gruppe aus zwei Pflegekräften und einem Arzt soll dieses regelmäßig auswerten. Zweitens will man besser kommunizieren: In die tägliche Visite sollen nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte einbezogen werden. Einmal wöchentlich wird das Team in Anwesenheit von externen Medizinern Fälle und Ethikfragen besprechen. Drittens soll das Klinikpersonal in Sterbebegleitung geschult werden. Viertens werden die Intensivstationen von derzeit im Schnitt 11 Betten auf 20 bis 24 Betten vergrößert, um eine lückenlose ärztliche Präsenz zu garantieren. Fünftens sollen am Tatort der Morde, der kardiologischen Intensivstation 104 i, „die Übersicht und Einsicht in die einzelnen Zimmer verbessert werden“, heißt es in dem Bericht.

Auf die Frage, wie die Verbesserung der Kommunikation mit der Vergrößerung der Station zu vereinbaren sei, antwortete Suter: „Nicht jede Pflegekraft kümmert sich um jeden Patienten.“ Wenn das Team größer ist, gebe es mehr Ärzte für die Fallbesprechungen. Zurzeit arbeiten etwa 40 Personen auf der Station 104 i.

Suter sagte, bei den Problemen auf der 104 i hätten „finanzielle Aspekte keine Rolle gespielt“. Diese Aussage steht im Kontrast zu einer Schwester, die im Prozess geäußert hatte, ihr Wunsch nach Supervision sei mit der Begründung abgelehnt worden: „Es sei kein Geld dafür vorhanden.“

Überhaupt wirkte Suter seltsam unbeleckt, was den Fall Irene B. und die Situation auf der Station 104 i betrifft. Auf der Pressekonferenz wusste er weder die Anzahl der Betten der Station, noch, dass die dortige Sterberate durch Irene B.s Taten nicht erhöht war, da sie Menschen tötete, die sowieso in absehbarer Zeit gestorben wären. Dabei will die Kommission die Station mehrfach besucht haben.

Die Pflegedirektorin Hedwig Francois-Kettner sagte, die Station 104 i habe keine Supervision erhalten, weil danach nicht verlangt wurde. Ob es sie nicht beunruhigt habe, keine Supervision bei einem so stark belasteten Team? „Hinterher ist man immer schlauer“, so Francois-Kettner. Jetzt werde das Team regelmäßig supervidiert.