„Das ist der Lackmustest“

Der Journalist Günter Wallraff möchte „Die satanischen Verse“ in einer Moschee lesen. Was erhofft er sich davon?

GÜNTER WALLRAFF, 64, macht sich seit 1977 als Undercoverreporter einen Namen (Bild; Callcenter).

taz: Herr Wallraff, wollen Sie die Muslime in Deutschland provozieren?

Günter Wallraff: Nein, überhaupt nicht. Ich wünsche mir nur, dass Rushdies Buch endlich mal da diskutiert wird, wo es hingehört. Die meisten Muslime haben das Buch ja noch nie gelesen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Der Hintergrund ist die Debatte über den Neubau einer Moschee hier in Köln-Ehrenfeld, dem Stadtteil, wo ich seit den 60er-Jahren lebe. Im Gegensatz zu anderen bin ich nicht gegen den Bau der Moschee, zumal ja an der gleichen Stelle schon lange eine recht schäbige Moschee existiert, über die sich bis vor kurzem kein Mensch aufgeregt hat. Vor einer gemeinsamen Diskussion im Deutschlandfunk über den Moscheebau hat Bekir Alboa, der Kulturbeauftragte von Ditib, dem Trägerverein der Moschee, mich gefragt, ob ich Mitglied im Beirat des Moscheevereins werden möchte. Ich bin nicht grundsätzlich abgeneigt, aber wenn, dann will ich auch etwas im Dialog mit dem Islam bewegen.

Sind „Die satanischen Verse“ da nicht ein zu großer Tabubruch?

Ich finde, man muss die Ditib beim Wort nehmen, wenn sie sagen, sie wollen in ihrer Moschee auch offene Kulturarbeit machen. Es ist für mich ein Lackmustest dafür, wie ernst sie das Angebot nehmen. Ich erkenne das Bemühen der Muslime in Deutschland an, sich in die Gemeinschaft einzubringen, und ich finde, man sollte sie ernst nehmen.

Sehen Sie Chancen, dass daraus wirklich etwas wird?

Herr Alboa hat sich schon bei mir gemeldet, und er findet, dass man ernsthaft über meinen Vorschlag reden sollte. Entscheiden werden darüber der Vorstand von Ditib und der Kölner Moscheeverein. Morgen dann erläutere ich einigen Vertretern der Moscheegemeinde, was ich mir von einer solchen Veranstaltung erhoffe.

Gibt es denn schon eine Vorstellung, in welcher Form das Ganze vor sich gehen könnte?

Selbstverständlich wäre es eine Diskussionsveranstaltung und keine klassische Lesung. Mir ist wichtig, dass die kritisierten Stellen aus Rushdies Buch wirklich die zentrale Rolle spielen und die Passagen auch ins Türkische übersetzt werden. Dann kann es richtig zur Sache gehen. Es wäre ein wichtiges Signal gegenüber den wirklichen islamischen Fundamentalisten, die sich ja immer im Besitz der allein selig machenden Wahrheit wähnen und wie alle Fanatiker es todernst meinen.INTERVIEW: JÜRGEN GOTTSCHLICH