KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Meine fremde Vergangenheit

In Berlin noch Junge, in Uppsala eine Frau: Wer umzieht, kann sein altes Ich vergessen. Oder dazu stehen

Seit letzten Donnerstag lebe ich in Uppsala, einer alten Universitätsstadt nicht weit von Stockholm. Hier werde ich ein Jahr studieren. Nicht das erste Mal, dass ich längere Zeit im Ausland verbringe. Nach der zehnten Klasse war ich für ein knappes Jahr in Schanghai. Aber dieser Aufenthalt ist anders, ich bin anders. In China war ich für meine Umwelt noch ein Junge, hier lebe ich als Frau.

In Berlin kannten mich viele schon vor meiner Transition, der Geschlechtsangleichung. Ich könnte Uppsala also als Neuanfang nutzen und meine Vergangenheit ruhen lassen. Ich könnte sie sogar umschreiben, könnte immer schon Mädchen, Schülerin und Kim gewesen sein. Die Verlockung ist groß.

Ich kenne Trans*Leute, die, sobald sie passen, also im bevorzugten Geschlecht durchgehen, an einen anderen Ort ziehen. Sie lassen Freund_innen und Familie zurück, um nicht mehr an schmerzhafte Erfahrungen erinnert zu werden. Um nicht mehr als „die Frau von früher“ oder „der Mann von früher“ leben zu müssen.

Gegen diesen Weg habe ich mich mit meiner ersten taz-Kolumne entschieden, zumindest für nicht absehbare Zeit. Ja, ich profiliere mich mit meinem Trans*Sein. Nicht so wie Lorielle London, ganz extravagante Diva. Eher wie Balian Buschbaum, Sportler, im falschen Körper geboren. Was bei ihm alles auf einmal und in einem Buch kommt, gibt es bei mir in Häppchen. Warum auch nicht? Mit der Zeit habe ich mich von der Ratsuchenden zur Ratgebenden gemausert. Beim lesbisch-schwulen Jugendverband Lambda war ich erst Gruppenmitglied, später Gruppenleiterin. War ich auf meinen ersten Trans*Tagungen noch Workshop-Teilnehmerin, so gebe ich jetzt selbst welche.

Meine Transition hat mir die Möglichkeit gegeben, mich als Frau weiterzuentwickeln. Ich verbinde mit ihr darum nicht den Rückzug in eine Normalität, sondern die Entfaltung meiner Fähigkeiten. Kein Wunder also, dass ich schon vor meiner Abreise nach schwedischen Organisationen geschaut habe. Was für die einen das unverzichtbare Schnitzel fernab der Heimat ist, sind für mich Orte, die offen für Trans*Leute sind. Es kann schon mal sein, dass ich dafür Zwischenstopps einlegen muss. Auf meiner Reise nach Uppsala machte ich Halt in Kopenhagen, um das dortige Queerfestival zu besuchen. Belohnt wurde ich mit dem Film „Patrik 1,5“, der Geschichte eines schwulen Pärchens, das anstelle des erhofften Kleinkindes den pubertierenden Patrik bei sich aufnehmen muss. Und mittendrin ich, voller Vorfreude auf Schweden.

Die Autorin ist Studentin

Foto: privat