Würstchen zu Kraken

Kulturwandel

Früher frittierte in dem Eckladen ein bärtiges holländisches Männchen mit Rudi-Carell-Akzent eifrig Bärentatzen und Pommes. Danach stand das „Flying Sausage“ eine Weile leer, und man gewöhnte sich beim Gang über die Reichenberger Straße an die mit Monsterpommes bepinselten Jalousien Ecke Mariannenstraße, und vermisste die pervers leckere „Soße Spezial“ (mit Röstzwiebeln oder Erdnussbutter).

Die neuen Besitzer änderten nur einen Buchstaben, malten das „Flying Sauvage“ mit niedlichen, wodkatrinkenden Kraken an, und ließen die Pommeslüftung drin, damit in der winzigen Galerie auch anständig gequalmt werden kann. Der Abzug funktioniert prima: An Abenden wie Mittwoch, an dem der ehemalige Lolitas-Gitarrist Coco und seine Frau Marjorje ihre Ausstellung eröffneten, kann man auch spätnachts noch von der einen Ecke des dunklen Raumes in die andere flirten. „Wir machen so doofe Jobs in Frankreich“, erzählt Coco, „dass wir jetzt versuchen, vom Malen zu leben.“ Coco hat ein paar totenköpfige Piraten und bunte Portraits von Bo Diddley und den Lolitas ausgestellt, seine Frau, die aus Haiti kommt, malt mit knalligen Farben Geschichten, deren ProtagonistInnen etwas freundlich Folkloristisches bis Voodooartiges haben: Ein paar schwarze Menschen sitzen auf einer leuchtend hellblauen Bank, der eine schenkt seiner Nachbarin ein Herz, in der Mitte hält einer ein Schild hoch. „She’s so lovely“ steht darauf. Im Hintergrund laufen cheesy französische 60s-Schlager.

Sonntagvormittag wird Coco, der damals auch Lolitas-Plattencover gemalt hat, ein kleines Abschlusskonzert geben. In der Ecke, wo früher die Theke mit den Frikandeln stand. Aber Beat passt auch gut dorthin.

JENNY ZYLKA