Kein Baum fällt!

Trotz Winterkälte und Polizeigewalt kämpfen im Hambacher Forst weiterhin idealistische Anarchisten gegen Waldrodung und den Abbau von Braunkohle.

■  Freitag, 5. Dezember Im rheinischen Braunkohlerevier tobt der Kampf um den Erhalt des Hambacher Forstes. RWE und der Staat gehen immer wieder mit Repressionen gegen den Widerstand vor. Kommt zur Soliparty – der Gewinn kommt der Antirep-Struktur der antirrr (Antirepressionsgruppe Rheinisches Revier) zugute. „Kohle gegen Kohle!“ Ab 21 Uhr, Subversiv e. V., Brunnenstraße 7, im Hinterhof

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INTERVIEW ANNE DITTMANN

taz: Letzte Woche war die Haftprüfung für euren Kumpan Basti – ist er aus dem Gefängnis entlassen worden?

Jaspar*: Ja, er ist frei! Das ist eine große Erleichterung. Schließlich war er schon seit einem Monat in Gewahrsam. Aber die Polizei konnte ihm nichts Ernsthaftes vorwerfen. Trotzdem ist einer von uns, Felix, noch in Haft.

Warum wurde Basti verhaftet? Ihm wurde schwere Körperverletzung gegen eine Sicherheitskraft vom Energieversorgungskonzern RWE unterstellt. Seit zwei Jahren besetzten wir den Hambacher Forst zum Widerstand gegen die geplante Waldrodung der RWE. Seitdem kam es wiederholt zu Räumungen und Neubesetzungen. Diesen Winter haben wir die Kampagne „Kein Baum fällt“ gestartet. In der Wintersaison soll also kein Baum gerodet werden. Dafür wurde im November ein Baum besetzt, der an der Rodungskante steht. Diese Besetzung sollte durch die Security der RWE wieder geräumt werden. Basti war an der Barrikade vor der Besetzung. Er wurde von der Security zu Boden geknüppelt und schwer verletzt.

Und trotzdem kämpft ihr weiter für den Hambacher Forst … Nicht umsonst. Die Braunkohle ist einer der dreckigsten Energieträger und zudem furchtbar ineffizient. Die RWE pumpt damit tonnenweise CO2 in die Luft und zerstört gleichzeitig einen der letzten deutschen Urwälder. Der Hambacher Forst besteht seit 12.000 Jahren. Ein Großteil der ursprünglich 5.000 Hektar musste bereits dem Braunkohletagebau weichen. Dabei ist der Wald über die Jahrhunderte zu einem komplexen Ökosystem herangereift, in dem bedrohte Tierarten wie die Bechsteinfledermaus leben.

Was unternehmt ihr genau, um die Waldrodung aufzuhalten?Wir kämpfen in Form von Baumbesetzungen. Wir alle haben verschiedene Ideale, die uns antreiben. Jedoch ist der Kampf klar anarchistisch und dadurch antistaatlich gefärbt. Wir sind aber nicht irgendwelche Verrückte, die auf Bäume klettern. Wir sind eine Bewegung. Bei uns leben je nach Anlass 15 bis 80 Menschen, die zwischenmenschliche Beziehungen stärken wollen. Wir kultivieren alternative Lebenskonzepte. Dafür haben wir in direkter Nähe zum Hambacher Forst eine komplette Infrastruktur errichtet, die aus geldlosen und recycelten Materialien besteht. Solidarische Anwohner*innen versorgen uns mit Kleidung, Lebensmitteln und Baumaterialien.

Ihr setzt euer Projekt also vollkommen ohne Geld um?

Geld brauchen wir nur für Vorratsaufstockungen wie Nudeln, Mehl, Bohnen oder Linsen sowie – durch unsere Waldbesetzung – für unsere Kletterausrüstung oder Behördenkosten wie Gerichtszahlungen.

Hand aufs Herz: der Wald ist Eigentum der RWE. Auf Dauer könnt ihr ihn nicht schützen, oder?

An erster Stelle wollen wir zeigen, dass es möglich ist, gegen einen Konzern wie RWE Widerstand zu leisten. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es keine unräumbaren Besetzungen gibt. Jedoch kosten Räumungen Zeit und Geld. Auch Sabotagen zu verhindern und die Infrastruktur zu schützen bedarf großen Aufwands. RWE muss sich in Zukunft überlegen, ob sich neue Projekte noch rentieren. Dabei wird der Konzern auch künftig auf Braunkohle setzen. Das geplante Kraftwerkt BoAplus in Niederaußem legt den Grundstein für weitere Tagebaue. Solange wir können, folgen also auf eine Räumung drei Neubesetzungen. Das Ziel ist nicht, nicht geräumt zu werden, sondern nicht kaputtgemacht zu werden.

Dabei ist nicht nur RWE ein Gegner, sondern sogar die Polizei …

Die Polizeigewalt kommt in der Presse häufig zu kurz. Die Polizei verkörpert als Institution die Gewalt des Staates und der Konzerne: Im Sommer wurde beispielsweise einer von uns ohne Grund festgenommen. Auf der Polizeiwache wollte er seine Fingerabdrücke nicht geben, jedoch hat die Polizei die gesetzliche Erlaubnis, diese unter Zwang zu nehmen. Die ungenaue Formulierung wird natürlich ausgenutzt: Unser Kumpan hat unter Gewalteinwirkung die Abdrücke gesetzt, jedoch immer wieder verwischt. Daraufhin wurde er bewusstlos geschlagen und die Abdrücke konnten doch genommen werden.

Habt ihr durch solche Vorfälle manchmal Angst weiterzumachen?

Ich persönlich habe Angst vor den Traumata, die durch die Gewalt und das Einsperren ausgelöst werden könnten. Aber der Kontakt mit der Polizei ist oft auch ein gutes Umfeld, persönliche Strategien gegen die Ohnmacht zu entwickeln. In diesem Fall machen einen die Erlebnisse stärker. Zudem konnten wir schon viel erreichen – da überwiegt nicht die Angst, sondern die Hoffnung.

*Deckname