die taz vor dreizehn jahren über die frauen des 20. juli 1944 und die opfer der kommunisten
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Rosemarie Reichwein, 90, war mit dem SPDler Adolf Reichwein verheiratet, der zum Widerstand des 20. Juli gehörte und von den Nazis ermordet wurde.

taz: Frau Reichwein, stört es Sie, nur als Frau eines Mannes des 20. Juli genannt zu werden?

Rosemarie Reichwein: Nie. Ich gehöre doch zu einer anderen Generation. Wir standen hinter unseren Männern. Sie wußten, daß sie auf ihre Familien keine Rücksicht nehmen brauchten, und das hat ihnen Kraft gegeben. Was wir für eine Rolle spielten, war nicht so wichtig. Hauptsache, die Aktion gelang. Ich hatte aber nie das Gefühl, daß ich, nur weil ich meinen Mann unterstützte, politisch aktiv war. Aktiv waren für mich die kommunistischen Frauen, die bei der Arbeit Sabotage machten. Das fand ich sehr beachtlich. Aber dazu hatte ich nie Gelegenheit.

Ab wann fragte man Sie nach Ihren Erinnerungen?

Zum ersten Mal 40 Jahre nach dem 20. Juli 1944. Da kam die Defa und machte einen Film über die Frauen. Vorher habe ich über die Zeit nur mit denen geredet, die dazugehörten. Nach dem Krieg wollten nicht einmal die Besatzungsmächte anerkennen, daß es einen Widerstand gegeben hat. Sie hingen noch der These von der Kollektivschuld der Deutschen an. Und ganz schlimm war die Ablehnung der Umgebung. Die Nachbarn waren neidisch, weil wir als Angehörige des Widerstands Carepakete erhielten. Und viele trauerten noch dem Nationalsozialismus hinterher, hielten unsere Männer für Verräter.

Heute engagieren Sie sich dafür, daß der Widerstand der Kommunisten nicht vergessen wird, obwohl Ihr Mann von einem Kommunisten, der sich damit die Freilassung aus dem KZ erkaufte, verraten wurde.

Es schmerzt mich, wenn jener Widerstand von konservativen Politikern vereinnahmt wird. Die Kommunisten haben die größten Opfer gebracht. Sie füllten als erste die Konzentrationslager. Nach den Juden haben sie am meisten gelitten. Interview von Anita Kugler, taz vom 19. 7. 94