Antisemit wird aus dem Stadtplan gestrichen

Die Meiserstraße in München wird umbenannt – weil sie den Namen eines Bischofs trägt, der sich antisemitisch äußerte

MÜNCHEN epd/taz ■ Der derzeit bekannteste Streit um einen historisch belasteten Straßennamen ist entschieden: Die Meiserstraße in München wird umbenannt. Am Mittwoch stimmte der Stadtrat mit den Stimmen von SPD, Grünen und der „Rosa Liste“ für den Namenswechsel. Sie hielten es für untragbar, eine Straße in der Innenstadt nach dem früheren evangelischen Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) zu benennen, der wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik steht.

Der Konflikt um die Münchener Meiser-Straße ist ein Beispiel für einen Streit, der seit einiger Zeit schon in vielen deutschen Städten ausgetragen wird: Wie sollen die Orte umgehen mit Straßen, die nach Menschen benannt sind, deren historische Rolle aus heutiger Sicht fragwürdig ist? Im Osten etwa sind nach wie vor viele Straßen nach sozialistischen Vorbildern benannt, die heute umstritten sind. Im Westen finden sich Bundeswehrkasernen, die auf den Namen von Wehrmachtsgenerälen getauft sind.

Dem Beschluss in München war eine monatelange Debatte vorausgegangen. CSU und FDP hatten beantragt, zunächst ein wissenschaftlichen Symposium abzuwarten, das sich mit der Figur Meisers beschäftigt. Doch dieser Plan fand keine Mehrheit.

Meiser habe „unerträgliche antisemitische Hetzschriften“ verfasst und sich geweigert, gegen Holocaust und Euthanasie seine Stimme zu erheben, sagte Oberbürgermeister Ude. Auch nach Kriegsende habe der Bischof eine historische Auseinandersetzung mit der Schuldfrage verweigert.

Die Vorsitzende der Münchner israelitischen Kultusgemeinde und Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte vor der Stadtratsentscheidung, ein „nachweislicher Antisemit“ dürfe nicht mit einem Straßennamen geehrt werden. In Nürnberg wurde die dortige Meiserstraße bereits umbenannt.

Die evangelische Landeskirche hingegen hatte sich für die Beibehaltung der Meiserstraße eingesetzt, an der auch die Verwaltungszentrale der rund 2,6 Millionen Protestanten in Bayern liegt. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich sagte, er sei enttäuscht über die Stadtratsentscheidung. Mit einer Gedenktafel am Landeskirchenamt solle das Wirken des Bischofs, der sich große Verdienste um die Kirche erworben habe, kritisch gewürdigt werden, sagte Friedrich.

Die Landeskirche verteidigt Meiser: Sein an Bibel und Bekenntnis orientierter Kurs habe ihn in ernste Konflikte mit den Nazis geführt. Nach dem Krieg habe Meiser wesentlich zur Konsolidierung der Kirche beigetragen. Daher müsse die Begründung des Stadtratsbeschlusses sorgfältig analysiert werden. Dazu gehöre auch die Prüfung einer Klage gegen den Stadtratsbeschluss.

Im Herbst will sich der Stadtrat mit dem künftigen Namen für die Meiserstraße befassen.

Das gestrige Votum könnte auch Vorbild sein für andere Städte, die ebenfalls den umstrittenen Bischof mit Straßen ehren: Auch in Ansbach, in Pullach und Bayreuth sind Straßen nach Bischof Meiser benannt.