BERND C. HESSLEIN, PUBLIZIST MIT GIFTSCHRANK-ERFAHRUNG
: Kämpfer für das freie Wort

■ in Wiesbaden geboren, wuchs in Berlin auf. Seinen 90. Geburtstag feiert er heute fern von Hamburg.  Foto: NDR

Gute 1,90 Meter misst Bernd Hesslein. Und geht – wenn auch langsamer – noch heute im aufrechten Gang. Dem „Gardemaß“ zum Trotz: Der preußische „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. hätte keine Freude an ihm gehabt, denn allem Militärischen, Gehorsam wie Unterordnung, hat Hesslein früh abgeschworen.

Dabei war er von 1939 bis 1945 ein begeisterter Wehrmachtsoldat. Noch vor Kriegsende geriet er in Italien in Gefangenschaft. Während andere selbst nach der militärischen Befreiung vom Nationalsozialismus weiterhin das Horst-Wessel-Lied sangen, meldete sich Hesslein zur politischen Umerziehung in Wilton Park, einer „Kriegsgefangenen-Akademie“ bei London.

Als überzeugter Demokrat kehrte er nach Deutschland zurück. Seine journalistische Laufbahn begann er 1952 bei der Hannoverschen Rundschau, seit 1959 arbeitete er in Hamburg als Dienstleiter im dpa-Auslandsdienst. 1963 wechselte er zum Norddeutschen Rundfunk, wurde Redakteur der „Tagesschau“, seit 1965 der „Panorama“-Redaktion. Zuschauer, denen Infotainment à la Guido Knopp zu fadenscheinig ist, werden sich gern an die Sendungen „Vor 40 Jahren“ oder „Zeugen der Zeit“ erinnern, die Hesslein moderierte.

Vor dem Hintergrund seiner Biografie scheint es fast zwangsläufig zu sein, dass die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit, die Wiederbewaffnung Deutschlands, die Rolle der Bundeswehr ebenso wie friedenspolitische Fragen seine Themen wurden. Sein Credo: „Man darf militärische Fragen nicht allein den Militärs überlassen!“

Zu seinen größeren Fernsehdokumentationen zählen „College und Kaderschmiede“ (1987) und „Roter Stern und Stacheldraht“ (1989). Seine fünfteilige Serie „Wiederbegegnung mit uns selbst. Deutsch-deutsche Legenden“, eine kritische Bestandsaufnahme des Kalten Krieges, wurde vom NDR 1995 als „journalistische Fehlleistung“ bezeichnet – und kam in den „Giftschrank“.

Der Kämpfer für das freie Wort war Gründungsvater und Kolumnist der Hamburger Rundschau, rezensierte für die Zeit und veröffentlichte bis vor Kurzem politische Kommentare in der linken Zweiwochenschrift Ossietzky. Der heutigen Fernsehlandschaft sind Journalisten wie Bernd Hesslein zu wünschen: Journalisten mit historischem Wissen und, noch wichtiger, einer vielleicht nicht immer bequemen Meinung. WILFRIED WEINKE