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: Ende des Schockzustands

Der deutsche Fußball startet mit dem ersten Wettbewerb in die Saison, dem Sommerkickturnier um den Ligapokokal

Die Fußballsucht treibt bisweilen seltsame Blüten. Letztes Wochenende ist ein Berliner von seiner Freundin ins Krankenhaus gebracht worden. Was ihm fehle, wurde die junge Dame gefragt. Ihre Antwort: „Er setzte sich voller Vorfreude am Samstag, um 18.10 Uhr vor den Fernseher, schaltete das Erste ein und hat danach zwanzig Stunden lang die Wand angestarrt.“

Schockzustand lautete die Diagnose der Ärzte, die dem armen Fußballentwöhnten mit Videoaufnahmen die nötige Dosis Fußball zuführten, so dass er nach zwei Tagen wieder am „normalen“ Leben teilnehmen konnte.

Das „anormale“ Leben geht heute wieder los, könnte man meinen – mit dem Ligapokal. Doch da wird nicht gerade das geboten, was ein Fan als interessanten Fußball bezeichnen würde.

Oh ja, nach dem Knüller Karlsruhe gegen Schalke (Samstag, 15.30 Uhr, Sat1) folgt im spitzenfußballentwöhnten Düsseldorf noch das Nord-Süd-Gigantentreffen (18 Uhr, Sat1): Werder gegen Bayern. Ohne die schlechte Saison der Bayern wäre es wohl nie zu einem so frühen Zeitpunkt zum Spiel gegen die Bremer gekommen und ohne Kloses Wechseltheater vielleicht auch nicht zu einer vollbesetzten Regionalliga-Arena. Schon vergessen? Nicht mal halb gefüllt spiegelte das Düsseldorfer Stadion im vergangenen Jahr die Bedeutung dieses Wettbewerbs wohl eher wider: Der Ligapokal war nie mehr als eine Aneinanderreihung von finanziell attraktiven Freundschaftsspielen. Oder sollte sich daran etwas ändern?

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und ihr Geschäftsführer Holger Hieronymus planen Revolutionäres. Der drittwichtigste (!) nationale Wettbewerb, bislang mit sechs Mannschaften in einer Woche als Sommerkick abgehandelt, soll auf 16 bis 36 Mannschaften aufgebläht werden. Diese sollen parallel zu Bundesliga, DFB-Pokal, Europapokal und Nationalmannschaft über mehrere Runden einen Startplatz im Uefa-Pokal ausspielen. Da hat wohl jemand bei der Diskussion um die Überbelastung der Spieler nicht ganz aufgepasst. Doch die DFL musste sich was einfallen lassen – die Werbeverträge laufen aus. Der Deutsche Fußballbund (DFB) ist über diese Pläne „not amused“. Bayerns Manager Uli Hoeneß äußerte sich gewohnt positiv: „Ein Ligapokal am Anfang der Saison ist eine gute Idee, ein vierter Wettbewerb während der Saison aber ein kompletter Schmarrn.“ Damit werden selbst ihm viele Recht geben, die ihm sonst nie Recht geben würden.

Immerhin ein wenig sportliche Neugier bedient der Ligapokal: Wie präsentiert sich Zweitliga-Meister Karlsruhe? Können die Badener den Arrivierten ein Bein stellen? Was passiert mit Klose? Wird er tatsächlich, wie von Frings und Wiese angekündigt gegen Werders Abwehr keine Chance haben, denn er könne ja „nicht schießen“? Und was ist mit Stuttgart? Und Nürnberg? Immerhin stand viermal der Sieger des Wettbewerbs auch am Ende in der Bundesliga vorn.

Vielleicht verhindert diese Mini-Fußballdosis ja immerhin, dass mehr Menschen in einen Schockzustand versetzt werden.

ROBERT RIST