SHEILA MYSOREKAR POLITIK VON UNTEN
: Weltwirtschaft – setzen, sechs!

Spanien, Italien, USA: Alle wollen die Bestnote. Wer sie nicht kriegt, verzweifelt. Wegen ein paar Buchstaben

Also habe ich meiner Tochter gedroht. Wenn sie nicht drastische Sparmaßnahmen bei ihrem Taschengeld einleite, würde ich sie runterstufen. „Wie runter? Wohin?“, fragte sie. „Von meiner AAA-Tochter zu einem AA+ -Kind“, erklärte ich. „Ja und?“, fragte sie. „Dann musst du für einen Taschengeldvorschuss doppelt so oft staubsaugen wie bisher“, sagte ich. „Mir doch egal.“ Sie gähnte. „Putz ich halt.“ Keine Spur von Panik. Nicht eine Geste der Demut vor der Allmacht meines Ratings.

Ganz anders der Mann meines Herzens. Während des Abendessens wurde er grün im Gesicht, nicht wegen meiner Kochkünste, wie er versicherte, sondern weil ihm sein iPhone eine Drohmail nach der anderen aufs Display jagte – die Börsenkurse stürzten ab. Was in seinem Fall bedeuten kann, dass Kunden Aufträge für die Firma stornieren. Weil irgendwelche selbst ernannten Finanzgurus von US-amerikanischen Ratingagenturen Ländern schlechte Noten vergeben. Schulnoten! Und ganz so, als wäre es die Schule, schleichen die Länder mit schlechtem Zeugnis hängenden Kopfes nach Hause. Sie kommen nicht auf die Idee, sich zu fragen, wer diese Typen eigentlich zu Lehrern berufen hat.

Ich finde das schon seltsam. Belgien zum Beispiel hat die Note AA+, dabei hatte das Land fast ein Jahr keine Regierung – das ist Weltrekord. Nicht mal der Irak hat das geschafft, und der hatte noch den Krieg als Entschuldigung. Also, ich würde einem Land ohne Regierung niemals eine gute Note geben, denn wenn das seine Kredite nicht zurückzahlt, hat man nicht mal jemanden, an den man sich wenden kann.

China hingegen – der Staat, von dem sich alle Geld leihen – hat nicht die Bestnote, sondern nur ein AA- als Rating. Und Venezuela, wo der Boden nur so trieft vor Öl, hat ein BB-, was in der Finanzwelt „Sitzenbleiben“ bedeutet. Die venezolanische Regierung nennt sich zwar sozialistisch, ist aber äußerst stabil, ganz anders als Belgien. Mir scheint, die Ratingagenturen würden schon in einer Grundschule an ihre Grenzen stoßen, was die Notenvergabe angeht. Grundschüler haben nämlich einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.

Geheimnisvolle Finanzwelt. Aber ich bin sicher, die US-amerikanischen Ratingagenturen sind mit Fachleuten besetzt, die niemals einzelne Länder in Europa herunterstufen würden, damit gegen sie spekuliert werden kann. Möglicherweise um den Euro zu schwächen. So was würden honorige Finanzmakler doch nie machen. Das sind doch keine Zocker.

Nur in Gold investieren ist krisensicher, heißt es jetzt auf einmal. Das finde ich lustig, denn das war schon von jeher das Investitionsprogramm meiner indischen Großtanten. Traditionellerweise wird in Indien gespart, indem man in guten Zeiten Gold kauft. Nicht etwa Barren, die in irgendeinem Tresor verstauben, sondern Goldschmuck, den die Frauen dann deutlich sichtbar spazieren tragen. Als Diamantringe sehen volle Bankkonten echt richtig gut aus.

Damit sollte ich auch anfangen. Wäre doch voll im Trend der Finanzwelt. Und dicke Goldklunker oder Brillies umzuhängen ist definitiv sexyer, als sich Wertpapiere durch die Ohrlöcher zu zwängen.

Die Autorin ist Journalistin und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Foto: F. Bagdu