Die Avantgarde von Shiphorst

Die Lieblingsinstrumente des Festivalinitiators, Jean Hervé Peron, sind das Jagdhorn und der Staubsauger. „Der eine bläst und der andere saugt: Welch philosophische Metapher“, sagt er. Es könne auch die Kettensäge, das selbst gebaute Elektroschlagzeug oder ein Betonmischer sein, „ein dadaistischer Sound ohne oben und unten“. Manchmal ist es aber auch die Gitarre: „Da hast du einen niedlichen Anfang, bescheuerte Lyriks darüber und irgendwann dann einen Refrain.“

Seit 17 Jahren feiert er im Schleswig-Holsteinischen Shiphorst, auf dem Hof seiner Frau, Carina Varain, die Sommersonnenwende. „Ich mache ein kleines Festival, da hat jeder was davon, außer dem Finanzamt“, dachte er sich derzeit.

Seit vier Jahren nennt sich das Event Avantgardefestival und fällt dieses Jahr auf den 27. bis 29. Juli. Varain kümmert sich um Unterkunft und Verpflegung der 60 Künstler sowie der rund 500 täglich erwarteten Gäste. Hauptsächlich wird es Musik geben, aber auch Poesie und Filme, für eine 3-Tages-Karte von 50 Euro. „Wir schweißen im Kuhstall, sprechen mit den Musikern, spielen Fußball, erzählen Geschichten für Taubstumme, Bügeln auf der Bühne“, kündigt Peron an. „Das ist friedlicher Terror“. „Art-Errorismus-Festival“ sei eine andere Bezeichnung, die für das Experiment und seine Fehler stehe, lange vor dem elften September entstanden.

Der Begriff der Avantgarde soll, laut Peron, ein Echo sein zum Schleswig-Holsteinischen-Musik-Festival, denn das sei vollkommen risikolos. „Ich habe keine Ahnung, was Avantgarde ist. Wenn man es so genau wüsste, wär es wahrscheinlich keine“, sagt Peron. „Die sitzt irgendwo ohne Rücksicht auf Anerkennung und Profit.“. Der Begriff suggeriere aber dem Besucher ein breites Spektrum: „Hier sind die Spinner, die alles probieren. Manche hauen auch daneben und machen schreckliche Musik. Es kommt aus der Hüfte und aus dem Herz.“ Keine Lust habe er schließlich auf eine Scheunenfete mit Grillen. Avantgarde stehe eben für selbstreflektive, radikale Echtheit. Die sei meist provokant.

Peron kündigt Künstler aus Berlin, England, Japan, Frankreich, der Schweiz und Österreich an: James Johnston von den „Bad Seeds“ wird kommen, der erste Schlagzeuger von Frank Zappa, Hans Hartmann, „der hat schon mit Udo Lindenberg zusammengewohnt hat, als er noch unbekannt war“, Damo Suzuki, der frei improvisierende ehemalige Sänger von „Can“ sowie viele unbekannte Künstler. „Musik muss vor allem authentisch sein“, sagt Peron.

„Mein Vater hat mir gezeigt, wie man Zigaretten dreht und wie man Geige spielt“, erklärt er sich selbst. „Dann habe ich Miles Davis gehört und 1968 bin ich als Kulissenbauer nach Deutschland gegangen und habe selbst musikalisch experimentiert.“ 1973 hatte Jean Peron mit der Hamburger Gruppe „Faust“ einen Track namens „Krautrock“ aufgenommen und damit eine neue Sparte begründet. Krautrock sei ursprünglich eine abfällige Bezeichnung der deutschen Rocker auf Identitätssuche gewesen. „Wir waren der Schreck Deutschlands, aber im Ausland liebt man uns noch immer“, sagt der Franzose, gebürtig in Casablanca. „Meine Musik klingt jeden Tag anders, der rote Faden ist jedoch meine Einstellung dazu“, sagt der Musiker. Und die sei ungebrochen.

KATRIN BONNY

Mehr Informationen unter: www.avantgardefestival.de