Ärgerliche Ehrlichkeit

KORRUPTION Dortmunds Lukasz Piszczek war in eine Spielmanipulation verwickelt. Er hat das zugegeben und die Strafe akzeptiert. Nun muss der polnische Verband eine Sperre aussprechen, obwohl er das nie wollte

Der Verband wollte gegen Piszczek eine öffentlichkeitswirksam hohe Strafe aussprechen, um diese in der nächsten Instanz dann zu reduzieren

VON ULI RÄTHER

„Bravo Lukasz. Er ist der einzige im Polnischen Fußballverband (PZPN), der sich benimmt wie ein Mann“, sagte dieser Tage kein Geringerer als Jan Tomaszewski, polnische Torwartlegende der 70er Jahre. Verdient hatte sich Lukasz Piszczek, rechter Verteidiger von Borussia Dortmund und der polnischen Nationalmannschaft, dieses Lob mit seiner lakonischen Erklärung, die Anfang August von der Disziplinarkommission des PZPN gegen ihn verhängte Sperre wegen Korruption anzuerkennen und keine weiteren Rechtsmittel einzulegen. Doch was so simpel klingt, hat beim polnischen Verband teils erregte, teils besorgte und allenthalben ungläubige Reaktionen ausgelöst. Offensichtlich hatte Piszczek mit seinem geradlinigen Vorgehen in eklatanter Weise das vom PZPN für ihn vorgesehene Drehbuch durchkreuzt.

Rückblende: In der Saison 2005/2006 spielte der 19-jährige Piszczek beim Erstligisten Zaglebie Lubin. Die Mannschaft brauchte am letzten Spieltag gegen Cracovia Krakau noch einen Punkt, um den zur Teilnahme an der Europa League berechtigenden Platz drei zu halten, und erkauft sich ein 0:0. Auch der junge Piszczek hatte seinen Obolus entrichtet, obwohl er verletzungsbedingt gar nicht spielte. Nachdem die staatsanwaltliche Aufarbeitung der zahllosen Bestechungsaffären im polnischen Fußball begonnen hatte, erstattete Lukasz Piszczek 2009 Selbstanzeige und legte ein Geständnis ab. Im Juni 2011 erhielt er eine einjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine vergleichsweise hohe Geldstrafe von umgerechnet 37.000 Euro.

So weit, so rechtsstaatlich. Doch nun liegt es im Ermessen des Verbandes, seinerseits gegen den Spieler eine Strafe auszusprechen, in der Regel einen zeitweisen Ausschluss vom Spielbetrieb. Solche Verfahren gleichen beim PZPN allerdings eher „einer Telenovela, deren Ende niemand voraussehen kann“, wie sich das Fachblatt Przeglad Sportowy mokiert. Das vom Verband angestrebte Szenario sah vor, gegen den mittlerweile international bekannten Lukasz Piszczek eine öffentlichkeitswirksam hohe Strafe auszusprechen, um diese Strafe in der nächsten Instanz per Gnadenakt auf ein Minimum zu reduzieren. So hätte der Verband seine Macht demonstriert und dennoch die sportlichen Interessen der Nationalmannschaft gewahrt.

Doch Piszczek verzichtete auf eine Revision und stahl damit allen die Show. Der verärgerte Nationaltrainer Franciszek Smuda ließ sich zu der Aussage verleiten, dass alles nur so gekommen sei, weil Piszczek naiv war und bei der Staatsanwaltschaft die Wahrheit gesagt habe. Pikanterweise war Smuda Piszczeks Trainer bei Zaglebie Lubin, als dieses Spiel verschoben wurde. Natürlich wusste Smuda von nichts. Von manch einem Verband wäre er für seine Äußerung suspendiert worden – beim PZPN ist das kein Thema. Vielmehr setzt man Piszczek nun mit dem Argument unter Druck, dass die von ihm akzeptierte Sperre auch seine Tätigkeit bei Dortmund betreffe, wovon bis dato nie die Rede war. Man wollte ja gar nicht bestrafen, sondern nur so tun als ob.

In der Satzung des PZPN scheint es zum Thema der Meldung von Strafen an Uefa und Fifa sich widersprechende Artikel zu geben. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission, Jedrych, oder PZPN-Chefankläger Wojciech Petkowicz äußern sich eher vorsichtig. Der Generalsekretär des PZPN, Zdzislaw Krecina, poltert hingegen, es gäbe nicht den geringsten Zweifel daran, dass von einem Verband ausgesprochene Korruptionsstrafen von allen in der Fifa organisierten Verbänden durchgesetzt würden. Nicht ohne süffisant hinzuzufügen: „Natürlich kann Lukasz Einspruch einlegen.“

Diese Äußerung fiel am Rande des Länderspiels Polen gegen Georgien am vergangenen Mittwoch. Auf der Heimreise wurde Krecina wegen Trunkenheit und vulgären Benehmens des Flugzeugs verwiesen. Auch hier gab es keinerlei Konsequenzen, und am nächsten Tag sagte er launig: „Was wollt ihr, ich war ja schließlich nicht Pilot dieses Fliegers.“ Das stimmt, doch ist er quasi Copilot des PZPN, der den Kurs von Lukasz Piszczeks näherer sportlichen Zukunft maßgeblich mitbestimmen wird. Man hat nicht unbedingt den Eindruck, dass diese wirklich in guten Händen ist.