Blasen laufen für die Evolution

Der Chef einer Naturkostfirma durchwandert Deutschland, um gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft zu protestieren. Am Sonnabend ist er in Lübeck losmarschiert. Renate Künast von den Grünen hat ihn verabschiedet

In Lübeck vor dem Holstentor drängen sich zweckmäßig gekleidete Menschen um einen Stand mit gentechnikfreien Dinkelbrötchen. Nach dem Frühstück am Samstagmorgen soll der 1.100-Kilometer-Protestmarsches gegen Gentechnik starten: Lindau ist das Ziel der 44 Etappen durch Deutschland. Die Teilnehmer kommen aus München, Göttingen, Berlin und Verden.

„Genfrei gehen“ steht auf den roten Hemden der Verkäufer und außer Brötchen und Demeter-Gemüsespießen der Hofgemeinschaft Rothenhausen gibt es Provianttüten mit Keksen und Sojagetränken von Rapunzel. Der Vorstand der Naturkost-Firma, Joseph Wilhelm, verteilt als Initiator der Wanderung gelbe Luftballons mit der Aufschrift: „Evolution statt Manipulation“.

Inzwischen warten mehr als 100 Leute in Sandalen und Regenjacken vor dem Holstentor. Zwischendrin wuseln Hunde, am Rand des Grünstreifens stehen Kinderwagen und drei Polizisten sitzen auf einer Bierbank. Vier Seiten Unterschriften gegen die „Agro-Gentechnik“, adressiert an den Landwirtschaftsminister, liegen bereits vor.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, verabschiedet den Marsch. „Wir brauchen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel und wir wollen sie nicht!“, ruft sie ins Megaphon. Lautstarker Beifall. Wilhelm regt zum Durchatmen an, ein signiertes Band wird durchgeschnitten und die Gruppe setzt sich in Bewegung. Verfolgt von ungläubigen Blicken aus einer Kleingartenkolonie, folgt die Gruppe einem Wanderweg entlang der Wakenitz.

„Ich bin Landwirt und was machst du?“, werde ich angesprochen. Ein erfolgreicher Bio-Bauer aus Lübeck erzählt von seinem Alltag. Er berichtet von einer bisher guten Nachbarschaft mit den konventionellen Höfen. „Solange die Bauern für einen genmanipulierten Anteil im Erntegut des Bio-Nachbarn haften, halten sie sich mit der Verwendung von manipuliertem Saatgut zurück“, vermutet er.

Vier Stunden später, nach den ersten 20 Kilometern, winkt der „Altbauer“ eines Bio-Hofes, wie er sich vorstellt, auf sein Gut bei Groß-Grönau. Als Toilette empfiehlt er den Wald und als Ruheplatz die Wiese. Und bevor es in den großmütig ertragenen regnerischen Teil des Tages übergeht, teilt man sich, neben dem Gehege für glückliche Schweine, solidarisch Brötchen, Bionade und Möhren. KATRIN BONNY