LESERINNENBRIEFE
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Verärgert und enttäuscht

■ betr.: „Roma. Die Matratzenlager sind Geschichte“, taz vom 18. 10. 14

Sie geben in dem Artikel die Position von Amaro Foro e. V. leider völlig falsch wieder. Auch über die Art und Weise, wie der Artikel zustande kam, sind wir empört. Das zugrundeliegende Interview zweier Schülerinnen mit Mitarbeiter von Amaro Foro e. V. fand im Rahmen von deren schulischer Projektwoche statt; unsere Mitarbeiter wurden nicht darüber informiert, dass eine mediale Veröffentlichung geplant war. Dies empfinden wir als äußerst unsauber und unfair.

Das Gespräch fand zwischen den Schülerinnen und mehreren Mitarbeiter_innen von Amaro Foro e. V. statt, darunter Weiße und Roma, männlich und weiblich. Alle direkten und indirekten Zitate im Artikel werden jedoch einem einzigen Kollegen, der männlich und weiß ist, zugeordnet, auch die Äußerungen, die tatsächlich von anwesenden Roma gemacht wurden. Sie werden im Text noch nicht einmal erwähnt. Wir erwarten da im Umgang mit einer Roma-Selbstorganisation wesentlich mehr Sensibilität für die Relevanz von Sprecherpositionen – ansonsten braucht man sich überhaupt nicht an eine Selbstorganisation zu wenden. Im Artikel findet sich folgender Satz, bezogen auf Roma, die aus Rumänien hier her kommen: „Ohne Hilfe ist es ihnen fast unmöglich, Traditionen loszulassen und sich anzupassen, bestätigt Marius Krauss in einem Interview.“ Herr Krauss ist Sozialberater bei Amaro Foro e. V., und er hat nichts dergleichen gesagt. Das ist eine völlig falsche Zusammenfassung. Im Gegenteil, es ist die Position von Amaro Foro e. V., dass das Problem gerade nicht die mangelnde Anpassungsfähigkeit der neu zugewanderten Roma ist, sondern die massive Diskriminierung durch die deutsche Gesellschaft. Sie haben Herrn Krauss genau das in den Mund gelegt, was Amaro Foro e. V. in der medialen Debatte permanent kritisiert und was keiner der Mitarbeiter jemals so äußern würde.

Wir sind wirklich verärgert und enttäuscht, dass so etwas ausgerechnet in der taz erscheint. Sie hätten sich nicht auf die Korrektheit der Zusammenfassung der Schülerinnen verlassen dürfen und auch nicht auf deren angebliche Autorisierung der Zitate. Gerade angesichts unserer guten Zusammenarbeit in den letzten Jahren hätten Sie unbedingt Rücksprache mit uns halten müssen, zumal es gerade bei der erwähnten Äußerung doch hätte auffallen müssen, dass das eine für eine Selbstorganisation sehr ungewöhnliche Positionierung wäre. ANDREA WIERICH, Amaro Foro e. V., Berlin

Erinnert an ProReli

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Die Angst vor Gehirnwäsche und Ähnlichem, die Anna Lehmann umtreibt (und die sie scheinbar auch anderen unterstellt), kann ich in keiner Weise nachvollziehen, geschweige denn teilen. Ich freue mich auf diesen Tag der Welthumanist_innen, und die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Wie kann „selber denken“ und die fortwährende Auseinandersetzung mit den Fragen des Lebens zelebriert werden? Wie werden die Kinder- und Menschenrechte als Errungenschaft demokratischen Handelns sinnvoll thematisiert? Das werden wir am 21. Juni sehen und mitgestalten. Sehr gern auch mit Frau Lehmann, deren kleiner Beitrag bedauerlicherweise an die unschöne ProReli-Kampagne erinnert.

SUSAN NAVISSI, Berlin

Freiwilliges Schulfach

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Ganz unabhängig davon, ob ich persönlich den schulfreien Tag für Humanisten befürworte, bin ich doch sehr erstaunt, mit welcher Polemik Sie über das freiwillige Schulfach Lebenskunde herziehen. Ich möchte deshalb den folgenden Aspekt Ihres Artikels aufgreifen: Wenn die Humanistische Union eine Sekte wäre (wie in Ihrem Artikel erwähnte, „jene“ behaupten) und die teilnehmenden Kinder einer Gehirnwäsche unterziehen würden, wie erklärt sich dann, dass Lebenskunde in Berlin und Brandenburg überhaupt unterrichtet werden darf? Diese Frage stellt sich doch zwingend. CAROLA TRENKLE, Berlin

Demokratische Werte

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Dass Anna Lehmann sich für ihre Leserinnen und Leser eingehend fragt, inwiefern Berliner Schülerinnen und Schüler am Welthumanistentag vom Schulunterricht befreit werden sollten, mag noch legitim sein. Aber den Humanistischen Verband als Sekte zu bezeichnen, beziehungsweise den Lebenskundeunterricht als Gehirnwäsche zu taxieren, wäre eher von einem Boulevardblatt zu erwarten. Tatsache ist, dass Lebenskundelehrerinnen und -lehrer, so wie ich, sich darum bemühen, den Schülerinnen und Schülern demokratische Werte wie Toleranz gegenüber dem anderen, Zivilcourage, kritisches Hinterfragen von sogenannten Wahrheiten zu vermitteln und diese mit ihnen zu erproben. AUDE DAVID, Berlin

Hass auf Lebenskunde

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Der Hass auf Lebenskunde, beziehungsweise den Humanistischen Verband, der aus dem Artikel von Frau Lehmann spricht, ist mehr als befremdlich, zumal angesichts der Geringfügigkeit seines Anlasses. Dafür, dass ein „Bekenner-Schreiben“ von der Schulbehörde verlangt wird, kann der Humanistische Verband nichts, und wieso all dies eine Bestätigung dafür sein soll, dass der HVD eine Sekte ist und ich den Kindern im Lebenskunde-Unterricht die Gehirne gewaschen haben soll, wird wohl das Geheimnis von Frau Lehmann bleiben. SABINE SCHAFFT, ehem. Lebenskunde-Lehrerin, Berlin

Gedankenfreier Tag

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Anna Lehmann hat eine Meinung zum schulfreien Tag für Humanistinnen. Und einen gedankenfreien Tag, den hatte sie wohl. Man kann sich nicht ernsthaft auf ein solches BZ-Niveau einlassen. Wie kommt so etwas in die taz?

RALF SCHÖPPNER, Berlin

Kirche im Dorf lassen

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Die Autorin soll mal die Kirche im Dorf lassen, denn ich wette, dass höchstens zwanzig Kinder von dem Privileg Gebrauch machen werden. Bei echten Sekten sieht es da doch etwas anders aus, etwa bei den Zeugen Jehovas, wo die Kinder nicht einmal Geburtstag oder Weihnachten feiern dürfen, weil das in der Bibel ja nicht vorkommt. Da sind wir Humanisten wahrlich anders drauf, denn mein Kind beispielsweise feiert Weihnachten oder Bayram einfach mit, weil es in unserer Familie halt Menschen gibt, die das feiern. Ebenso war mein Kind immer frei, Religions- oder Lebenskundeunterricht zu besuchen oder gar nichts zu machen.

Erziehung zu Mündigkeit und Toleranz hat für mich als Vater und Lehrer immer absolute Priorität und meinen Unterricht besuchen Atheisten genau so wie Christen, Juden, Muslime oder Buddhisten. Da bekommt keiner das Gehirn gewaschen, wie in einigen Religionsgemeinschaften, die kleinsten Kindern immer noch mit der Hölle drohen, wenn sie sich abwenden oder sonstige „Sünden“ begehen. OLAF SCHÄFER, Berlin

Lebenskunde-Zombies

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Leeren Blickes schleichen sie über die Flure der Schule. Kinder noch, doch schon verloren. Ihre Augen weit aufgerissen, den Kopf voll dummer Gedanken: über Kinderrechte, Evolution, Demokratie und Selbstbestimmung. Sie haben einen Namen: Lebenskunde-Zombies.

Zu Hause nerven die Gören mit eigenen Gedanken und verlangen von ihren Eltern, die Schulmappe nicht zu durchwühlen und gefälligst anzuklopfen. „Ich habe Rechte!“, rufen sie den Erwachsenen entgegen. Schlimme Geschichten, die die taz nun endlich ans Tageslicht zerrt. Nieder mit Lebenskunde – alle Macht der taz!

TÖNS WIETHÜCHTER, Berlin

Fehlende Toleranz

■ betr.: „Zwang zum Bekenntnis“, taz v. 9. 12. 14

Während katholische Eltern ihre Kinder an Allerheiligen, evangelische Eltern ihre Kinder am Buß- und Bettag und muslimische Eltern ihre Kinder am Bayramfest beurlauben dürfen, um das für sie wichtige Fest mit den sich im Laufe der Jahre entwickelten Bräuchen im Kreise der Familie zu begehen, gibt es einen solchen Feiertag zwar in Form des Welthumanistentags für HumanistInnen, schulfrei durften die Kinder aber an dem Tag bis heute nicht nehmen. Wie schön, dass sie sich nun an diesem Tag außerhalb der Schule in Gemeinschaft intensiv mit Fragen der Toleranz und Akzeptanz beschäftigen dürfen – etwas, das Ihnen offensichtlich auch gut tun würde, denn wenn Sie in Ihrem Artikel schreiben, dass der Humanistische Verband von Kritikern als Sekte und der Lebenskundeunterricht als Gehirnwäsche gehalten wird und Sie dies unkommentiert so stehen lassen, beziehungsweise dem sogar in diesem Fall Recht geben, könnte man meinen, es fehle Ihnen an Toleranz gegenüber Andersdenkenden. MARTINA KLEIST, Berlin