Kerstin Schumann, Museumsleiterin
: Die Textil-Verwalterin

KERSTIN SCHUMANN, 43, arbeitete im Bonner Haus der Geschichte. Jetzt hütet sie das Erbe der Bramscher Textiltradition.

Kerstin Schumann kann noch mit staunenden Augen durch das Museum gehen, das sie leitet. Erst seit April ist sie oberste Wächterin des Erbes aus 500 Jahren Bramscher Textilgeschichte und leitet das Tuchmacher Museum Bramsche.

Als Schumann ihre neue Stelle antrat, war sie sofort vollauf beschäftigt. Die Festlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum, das das Museum im Moment feiert, mussten geplant werden. Deshalb ist es für sie noch etwas Besonderes, wenn sie einmal Zeit findet, sich mit einem einzelnen Ausstellungsstück in Ruhe zu beschäftigen. Am meisten lernt Schumann, wenn es im Innenleben der Maschinen hakt. Dann schrauben die Techniker und ermöglichen ihrer Chefin und den Besuchern die besten Einblicke in die Funktionsweise der Ausstellungsstücke.

Im Bramscher Museum können die Besucher die Geschichte der Industrialisierung am Beispiel der Textilindustrie nachvollziehen. Dort steht die „Spinning Jenny“, eine Maschine, die in den 1760er Jahren in England erfunden wurde: Mit ihrer Hilfe konnte eine Frau zum ersten Mal mehr als einen Faden zur gleichen Zeit spinnen. Die „Crompton Mule“, zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfunden, konnte bereits mit einem Wasserrad oder der neumodischen Dampfmaschine angetrieben werden. Und der so genannte „Selfaktor“ aus der Hochzeit der Industrialisierung besteht schon größtenteils aus Stahl und passt mit 20 Metern Länge in keinerlei Dachboden-Nähstübchen mehr hinein.

An den Maschinen der Textilindustrie kann Schumann zwar noch Neues entdecken, in der Industriegeschichte kennt sie sich aber bestens aus. Bevor sie nach Bramsche kam, vernetzte die studierte Kulturwissenschaftlerin Orte der nordrhein-westfälischen Industriekultur durch ein Routensystem und touristische Angebote. 2004 besuchte sie zum ersten Mal das Museum in Bramsche und fand sofort, dass hier einfach alles stimmte. Dass sie jetzt in einer Kleinstadt arbeitet, findet Schumann gar nicht so schlimm. Immerhin hat ihr Museum als kulturelles Zentrum der 30.000-Einwohner-Stadt keine ernsthafte Konkurrenz.KARIN CHRISTMANN