Mut zum Vermalen

Der Mediator Stephan Ulrich bringt seinen Kollegen bei, wie sie mit dem Zeichnen von Sternenmännchen ihre Mediationskünste aufpeppen können. Denn mit Zeichnungen, glaubt er, lassen sich versteckte Konflikte aufdecken

von KARIN CHRISTMANN

Auf den Zeichnungen von Stephan Ulrich tummeln sich menschliche Figuren. Einige haben riesige Dumbo-Ohren. „Aktiv zuhören“ steht darunter geschrieben. Andere hocken auf einer Wolke, die mit dem Stichwort „Metakommunizieren“ beschriftet ist. Stephan Ulrich versteht sich auf Visualisierung – darauf, einfache oder komplizierte Sachverhalte mit kleinen Zeichnungen prägnant zu symbolisieren.

In Seminaren gibt Ulrich diese Fähigkeit an alle weiter, die sie in ihrem eigenen Berufsalltag gebrauchen können. Das sind zum Beispiel Mediatoren, die als neutrale Person anderen bei der Konfliktlösung helfen sollen. Oder Moderatoren, die ihre eigenen Workshops mit den Zeichnungen aufpeppen können.

Eine derjenigen, die schon von Ulrichs Zeichenkünsten profitiert haben, ist die Hamburgerin Evelyn Gius, die Seminare für Existenzgründer leitet. Gius nutzt das Zeichnen, um ihre Moderationen einprägsamer zu gestalten, zum Beispiel, indem sie eine Liste von Ideen mit einer leuchtenden Glühbirne illustriert. Das ist zwar noch nicht die hohe Kunst, spontan alle Inhalte zu illustrieren, die Zuhörer nennen. Um dies zu beherrschen, müsste Gius mehr üben. Aber trotzdem, sagt sie, seien die neuen Zeichenkenntnisse schon sehr nützlich für ihren Berufsalltag. Durch die Visualisierung würden Sachverhalte und Ideen viel eingängiger.

Auf Ulrichs Seminaren zeichnen die Teilnehmer ein ganzes Wochenende lang und lassen sich von ihm die wichtigsten Kniffe erklären. Viele davon seien ganz einfach, sagt Evelyn Gius, doch sie wären ihr nie von selbst eingefallen. Zeichnerische Vorkenntnisse sind weder nötig noch erwünscht. Nur „Mut zum Vermalen“ sollen die Schüler mitbringen, sagt Ulrich. Dann können sie lernen, wie sich aus einem fünfzackigen Stern Figuren entwickeln lassen, die jedem Strichmännchen überlegen sind. Und wie sich lebendige Gesichter darstellen lassen nur aus gezeichneten Ovalen. Auch schwierigere Aufgaben wie die Darstellung des abstrakten Begriffes „Toleranz“ lassen sich lösen: Etwa mit einem Hund und einer Katze, die sich freundlich angrinsen. Oder einem schwarz ausgemalten und einem leeren weißen Männchen, die Hand in Hand gehen.

Stephan Ulrich arbeitet selbst als Mediator. „Aus den Steinen, die dir in den Weg geschmissen werden, kannst du auch etwas Hübsches bauen“, beschreibt er, wie ein Mediator gemeinsam mit seinen Medianden Lösungen suchen kann. Neben seiner Mediationsausbildung verbrachte er drei Monate in einer Dorfgemeinschaft im westafrikanischen Gambia und studierte, wie dort der Dorfälteste Streitigkeiten befriedet. Heute schlichtet Ulrich unter anderem Konflikte in Firmen. „Kaum ein Mitarbeiter würde offen sagen, dass er keine Überstunden machen will“, sagt Ulrich. „Zeichnungen sind eine humane Weise, versteckte Konflikte auf den Tisch zu bringen.“ Auch in Schulklassen hat der Mediator gute Erfahrungen mit seinen Zeichnungen gemacht. Gerade schwächeren Schülern, sagt er, fiele es durch griffige Illustrationen häufig leichter, einen Zugang zu einem Thema zu finden.

In Hamburg veranstaltet Stephan Ulrich seine Seminare zum Beispiel als Dozent des Institutes für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation. Auch über seine Website www.malmann.com können Interessierte Kontakt aufnehmen.